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Abbreviations (PDF)
Bote & Bock
Das Konzert für Oboe (Oboe d'amore) und Orchester ist das vorletzte Instrumentalkonzert, das Isang Yun komponierte. (Für seine violinspielende Enkelin Li-Na Chen folgte 1992 noch das 3. Violinkonzert.) Es ist ein Spätwerk, das sich kaum mehr nur mit Andeutungen und stilistischen Allusionen begnügt. Auffällig ist die relative Isolation des lyrischen Subjekts, der Solo-Oboe. Auch wenn Yun bei der Komposition seinen Oboe spielenden und zugleich dirigierenden Freund Heinz Holliger vor Augen hatte, ist der "Held", der Protagonist dieses Stücks, wohl doch Isang Yun selber. Auf die Möglichkeit der autobiographischen Deutung des Instrumentalkonzerts hatte Yun bereits in Hinblick auf sein erstes Werk dieser Gattung, das Konzert für Violoncello und Orchester (1975/76), hingewiesen. Der Solist steht für das Individuum; das Orchesterganze meint ein Abbild der Welt.
Das Bild des die Solo-Oboe spielenden Dirigenten bestimmt wesentlich auch die Form des äußerlich einsätzigen, in sich dreiteiligen Stücks: Am Beginn steht der Solist, der einzelne Mensch; es gibt Helfer wie die Violine oder das Violoncello, Partner wie die Harfe (vor allem im langsamen Satz) sowie gesellschaftliche Gruppen (Orchestertuttis), die die Solopartie fortführen und solche, die dem Soloinstrument kontradiktorisch gegenüberstehen. Auffällig ist die zunehmende Tendenz zu Monologen und sogar isolierten Monologen: im langsamen Satz ein Monolog der Oboe d'amore, im Schluss-Satz eine reflexiv-retardierende "Klanginsel", eine ausführliche kleine Kadenz (Partitur) sowie der vorletzte, harfenbegleitete Takt.
Eine weitere strukturelle Idee, von der Isang Yun berichtete, betrifft die Instrumentation: Mit der Stimme der Solo-Oboe kombinierte er insbesondere metallische Blasinstrumente wie Trompete und Horn sowie Perkussionsinstrumente wie im langsamen Satz Glockenspiel / Vibraphon und dann Tambourin. Die Instrumentation ermöglicht demnach Klangfarben, die Anspielungen auf Militärmusik zulassen.
Vergleichsweise konkrete Materialien oder zumindest Allusionen spielen von Anfang an eine Rolle: Schon eines der ersten Bläsertuttis (Takt 29) verweist auf Spiel und Tanz. Nicht selten koreanisch und sogar patriotisch erscheint der Gestus der Streicher. Und im Schluss-Satz (Takt 138–139) leuchtet in Fagott und Hörnern ein kurzes Zitat oder Quasi-Zitat auf, das einem koreanischen Lied entstammen könnte.
Weitere Bedeutungen wachsen dem Werk zu, wenn man weiß, dass es – wie im Autograph notiert – vom 27. November bis zum 14. Dezember 1990 in der nordkoreanischen Hauptstadt Pyongyang komponiert wurde. In Pyongyang hatte sich Yun, der als Gegner der südkoreanischen Militärdiktatur in seine Heimat nicht zurückkehren konnte, seit den 1980er Jahren jedes Jahr für einige Wochen aufgehalten, um dem Musikleben dort neue Impulse zu geben. Als großen Erfolg konnte er verbuchen, dass es ihm gelungen war, die nordkoreanische Führung davon zu überzeugen, Ende Oktober 1990 ein "Reunification Concert" in Pyongyang zu veranstalten: Nordkoreanische Musiker und Isang Yun konnten eine Delegation südkoreanischer Kolleginnen und Kollegen unter der Leitung des Komponisten und Kayagum-Solisten Byungki Hwang zu gemeinsamen Gesprächen und Konzerten in Pyongyang empfangen – eine Maßnahme, von der man damals glaubte, dass sie dazu beitragen könne, der Wiedervereinigung Koreas ein kleines Stück näher zu kommen.
Das Oboenkonzert ist ein Auftragswerk der Koussevitzky Music Foundation. Isang Yun, der in der Bundesrepublik Deutschland in den achtziger Jahren durch Aufträge, Aufführungen, einen Sammelband über seine Musik (1987), die Ehrendoktorwürde (Tübingen 1985) und das Große Bundesverdienstkreuz (1988) geehrt worden war, wurde gebeten, für ein vergleichsweise bescheidenes Honorar ein Werk komponieren, dessen Autograph nach Fertigstellung der Library of Congress in Washington D.C. gehören sollte. Nach einigem Zögern nahm Yun diesen Auftrag an. "In Erinnerung an Serge und Natalie Koussevitzky" – so die Widmung – entstand ein Meisterwerk, das einen Tag vor Yuns 74. Geburtstag im Kammermusiksaal der Berlin Philharmonie zur Uraufführung kam.
Walter-Wolfgang Sparrer
Die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen / Heinz Holliger (soloist & conductor)
Internationale Isang Yun Gesellschaft IYG 010