Life With an Idiot
(Leben mit einem Idioten: Oper in 2 Akten von Viktor Jerofejew) (1992)S,2T,2Bar,B; choir;
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Abbreviations (PDF)
Sikorski
Alfred Schnittkes zweiaktige Oper „Leben mit einem Idioten entstand“ 1991/92 nach einer Novelle von Viktor Jerofejew (*1947). Die Arbeiten an der Oper wurden durch seinen zweiten Schlaganfall jäh unterbrochen. Am 13. April 1992 erlebte die Oper eine vielgefeierte Uraufführung in Amsterdam. Weitere Aufführungen folgten in Turin (1993), Wuppertal (1993), Wien (1993), Gelsenkirchen (1993), Madrid (1994), Lissabon (1994), Bremen (1995), Glasgow (1995), Dresden (1995), London (1995) und Buenos Aires (1996)
„Inhaltlich herrscht eine geradezu unmögliche Mischung von ‚Hohem' und ‚Niedrigem‘, ohne die Endgültigkeit irgendeiner berechenbaren Stilistik, ohne die Dominanz eines gültigen stilistischen ‚Schlüssels‘. Alle Rollen (mit Ausnahme des wahnsinnigen Wowa) sind doppeldeutig angelegt: Sie sind naturalistisch aktiv-präsent und gleichzeitig dichterisch distanziert.“ (Schnittke, zitiert aus: Internationale Musikverlage Hans Sikorski (Hrsg.): Alfred Schnittke zum 60. Geburtstag - eine Festschrift. Hamburg 1994)
In der Oper gibt es teilweise schwer einzuordnende Nebenfiguren und Trugbilder wie naturalistisch-kitschige Landschaftsbilder, die sich plötzlich in reale Bilder verwandeln. Auch die Metamorphose zweier illusionärer Rivalen in ein hervor. Die Oper bezieht sich jedoch trotz der äußerlichen Ähnlichkeit des Idioten mit Lenin nicht nur auf den Kommunismus.
„‚Leben mit einem Idioten' handelt nicht nur vom Kommunismus, es gibt viele andere Anwendungsbereiche. Interpretationen solIten in jedem Fa/l die irrationalen Elemente, die in unmerklichen Nuancen auch in der Struktur des Werkes enthalten sind, berücksichtigen und einbeziehen. 'Leben mit einem Idioten' ist kein abgeschlossenes, sondern ein offenes Thema. Möglicherweise hat es einen Anfang, sicher aber kein Ende; in näherer Zukunft ist wahrscheinlich auch keins zu erwarten.“ (Schnittke im Programmbuch ‚Leben mit einem Idioten‘, hrsg. von den Wuppertaler Bühnen, Spielzeit 1992/93)
Juri Chopolow sieht in der Oper ‚Leben mit einem Idioten‘ den Gipfel einer Entwicklung, bei der Schnittke das Kulturphilistertum überwindet, indem er auch den ‚Schmutz‘ und das Banale in seine Werke einbezieht. Diese Vorgehensweise hat eine gewisse Tradition in der russischen Kulturgeschichte (Gogol, Dostojewski, Strawinsky, Schostakowitsch). Sie kehrt die Falschheit und die Sinnlosigkeit traditioneller Formen hervor.
Genauso wie das Buch; es ist ja sehr naiv, es ist eine Mischung von allem, nicht von der jetzigen, ästhetisierten Welt, sondern von der Welt von damals, wo das alles nebeneinander bestand. Und es müsste eigentlich der Versuch sein, in der Realität, in der jetzigen, dieselbe Welt zu gestalten. Sicher gibt's da Lustiges und Trauriges und Tragisches und von Anfang an eine gewisse Naivität, die sich auch in der Musik ausdrückt.
Zum Inhalt:
Ein russischer Schriftsteller, genannt Ich, muss zur Strafe für seinen Mangel an Mitgefühl einen Wahnsinnigen bei sich aufnehmen. Er geht ins Irrenhaus und wählt den rothaarigen, angeblich „fügsamen und verständigen“ Wowa. Dieser macht nicht viele Worte: „Ach“ ist sein einziger, vielfältig variierter Laut. Ich führt ihn nach Hause, wo seine Frau Wowa mit größter Skepsis empfängt.
Anfangs benimmt sich Wowa ruhig und bescheiden. Allmählich jedoch ändert er sein Verhalten, leert den Kühlschrank, wirft die Lebensmittel umher und ist selig. Bald fängt er an, Ichs Bibliothek zu zerstören. Ich und seine Frau versuchen verzweifelt, sich gegen Wowa zu wehren, doch es hilft nichts: Er zerstört alles, wirft Ich aus dem Schlafzimmer und vergewaltigt die Frau. Diese ist glücklich über die Wendung und wird schwanger, entschließt sich jedoch zur Abtreibung. Wowa, der sich sehr auf das Kind gefreut hatte, reagiert äußerst gewalttätig und wendet sich schließlich Ich zu, mit dem ihn bald eine intensive sexuelle Beziehung verbindet. Die beiden Männer richten sich im Nebenzimmer ein und genießen ihr trautes Beisammensein, verprügeln manchmal die Frau, kümmern sich jedoch ansonsten wenig um sie. Schließlich stellt die Frau mit den Worten ‚Er oder ich!‘ Wowa vor eine Entscheidung. Wowa handelt rasch und konsequent: Mit einer Gartenschere trennt er der Frau den Kopf ab und verschwindet mit ihrem Körper. Niemand hat ihn je wieder gesehen. Für Ich ist das zuviel: Er verliert den Verstand und wird bei seiner Ankunft im Irrenhaus vom Wärter wie ein alter Bekannter empfangen.
Dale Duesing, Romain Bischkoff, Teresa Ringholz, Howard Haskin, Leonid Zimnenko, Robin Leggate, Rotterdam Philharmonic Orchestra, Mstislav Rostropovich
Sony CD52495