2(II=picc).2.2(I=Ebcl).bcl.asax.2-3.3.(I=picc.tpt).2.1-perc(3)-elec.gtr-KORG BX3 organ-strings(12.12.8.6.4)
Abbreviations (PDF)
Bote & Bock
Das einsätzige Orchesterwerk Dreydl ist aus meiner Beschäftigung mit den Themen Erinnerung und dem Vergehen von Zeit entstanden. Diese haben mich schon in meiner ersten Oper Bählamms Fest (1994) dazu veranlasst, ein kleines Fragment von Mordechaj Gebirtigs „Hulyet hulyet kinderlach“ mit der Zeile „Wayl fun friling bis tsum winter is a katzenshprung“ zu verwenden. Dreydl entspringt auch meinem jüngeren Interesse an der Neugestaltung und Neuerfindung von tanzähnlichen Rhythmen oder Patterns, die beinahe keine Entwicklung durchmachen.
Der Titel wurde von der ersten Zeile des jiddischen Kinderlieds „Ikh bin a kleyner dreydl“ inspiriert. Ein Dreydl ist ein Kreisel, mit dem Kinder auch heute noch während des Lichterfestes Chanukka spielen. Wie das Würfeln, ist der Dreydl ein Spiel mit dem Zufall. Unaufhörlich dreht und dreht er sich und ist deshalb für mich ein Symbol des Lebens: „Die Räder drehen sich, die Jahre vergehen / Ach, ohne Ende und ohne Ziel / Des Glücks beraubt, so bin ich geblieben...“ heißt es an einer Stelle im Lied „Dem Milners Trem“ („Die Tränen des Müllers“) von Mark Markowytsch Warschawskyj. Die kontinuierlichen rhythmischen Patterns in Dreydl stehen für den fatalen Kreislauf des Schicksals, wie wir ihn in den zwei Jahren der Pandemie erlebt haben – in der die Zeit außer Kraft gesetzt wurde und niemand weiß, was die Zukunft bringen wird.
Olga Neuwirth, Dezember 2021