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Der Meister und Margarita
(1984–89, rev.2008)Libretto vom Komponisten nach dem Roman von Mikhail Bulgakov (dt.)
Major roles: lyrdramS,M,T,dramBar,Bar,B,mime(female);
minor roles: 2M,lyrT,2T,4B;
small roles: M,T,2Bar,3B,speakers; ballet;
3(I,II,III=picc;II=afl).3(III=corA).3(II=Ebcl;III=bcl).asax.3(III=dbn)-4.4.3.1-perc(6-7):8timp/4tgl/crot/glsp/xylorimba(or marimba&xyl)/vib/t.bells/hi-hat/8cym/9gong/3tam-t/tamb/4bongo/6tom-t/2conga/2SD/TD/BD/3cowbell/2bells(lg)/3wdbl/ tpl.bl/2slit dr/sleigh bells/maracas/cast/claves/guiro/ratchet/whip/flexatone/wooden hammer(lg)-harp-Spanish gtr(=elec.gtr)-cel-pft-2synth(Yamaha DX7,EMS Synthi AKS)-4-channel tape-strings(14.12.10.8.6); stage musicians(can be taken from orchestra): Act I: ssax-jazztpt-pft-db-jazzperc; Act II: amplified vln-elec.gtr-elec.bgtr-elec.pft-perc(2):2conga
Abbreviations (PDF)
Boosey & Hawkes
Opéra (Palais Garnier), Paris
Hans Neuenfels, Regisseur
Conductor: Lothar Zagrosek
Company: Roland Herrmann, Karan Armstrong, James Johnson and others
DER MEISTER und JESCHUA | Heldenbariton |
MARGARITA | Dram. Sopran |
VOLAND, der schwarze Magier | Charakterbariton |
KOROWJEW, sein Assistent | Buffo-Baß |
ASASELLO | Tenor |
BEHOMOTH, der Kater | Mezzosopran |
GELLA, die Hexe | Stumme Rolle |
PONTIUS PILATUS | Baß |
LEVI MATTHÄUS | Heldentenor |
BESDOMNY, der Dichter | junger Heldentenor |
BERLIOZ, Herausgeber | Baß |
DR. STRAWINSKY, Arzt | Baß |
STJOPA, Varieté-Direktor | Buffo-Tenor |
FRAU STJOPA, seine Frau | Mezzosopran |
ARCHIBALD ARCHIBALDOWITSCH, Restaurantbesitzer | Baß |
SOFIA PAWLOWNA | Mezzospran |
NASTASSJA, Schriftstellerin | Mezzosopran |
POPRICHIN, Schriftsteller | Tenor |
DUBRATSKI, Schriftsteller | Bariton |
DENISKIN, Schriftsteller | Bariton |
ABAKOW, Schriftsteller | Baß |
BESKUDNIKOW, Schriftsteller | Baß |
SAGRIWOW, Schriftsteller | Baß |
FRIDA | Stumme Rolle |
Conferencier | Sprechrolle |
Assistenzarzt, Krankenhauspersonal, Passanten, Soldaten, Polizisten | Stumme bzw. Sprechrollen |
Moskau; Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Unglaubliche Dinge geschehen im Moskau der 30er-Jahre: Berlioz, Herausgeber eines Kunstjournals, und der junge Dichter Besdomny, diskutieren die Frage, ob Jesus Christus wirklich gelebt hat. Ein Fremder unterbricht das Gespräch der beiden und läßt beiläufig die Bemerkung fallen, daß er höchstselbst bei Jesus’ Verhör durch Pilatus zugegen gewesen sei – womit Seine Existenz bewiesen wäre. Der Fremde stellt sich als Voland vor, seines Zeichens Professor der Schwarzen Magie; er deutet an, daß er gleichermaßen über Vergangenheit und Zukunft Bescheid wisse. Seine Voraussage: Berlioz werde noch am selben Tage geköpft. Und die Prophezeiung erfüllt sich …
Es ist der Teufel höchstselbst, „die Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft“ (aus Goethes Faust), der schließlich eine Reihe irrwitziger Ereignisse auslöst: Als die Veröffentlichung seines unerwünschten Romans über Christus und Pontius Pilatus nur ignorante Kritik und Zensur hervorruft, fällt der Meister in tiefe Isolation und Verzweiflung und landet schließlich im Irrenhaus. Das Gebäude der Schriftstellergewerkschaft jedoch geht in Flammen auf.
In einem Varieté wird ein groteskes Stück gezeigt, in dem stadtbekannte Personen als Schurken entlarvt werden. Margarita, die Geliebte des Meisters, erlangt die Fähigkeit zu fliegen und nimmt am „Großen Satansball“, einem Ballett, teil. Nach langer Trennung ist sie wieder mit dem Meister vereint. Schließlich entfliehen der Meister und Margarita, begleitet vom Schwarzen Magier und seinem Gehilfen, dem großen, verwegenen Kater Behemoth und dem Zauberer Asasello, in den Orbit, da es ihnen nicht beschieden war, in dieser Welt das Glück zu finden.
„Weltweites Aufsehen erregte 1967 die Freigabe des Romans Master i Margarita (1928–40), Opus ultimum des russischen Dramatikers und Erzählers Michail Bulgakow (1891–1940), dem von der offiziellen Literaturkritik Verfemten, dessen Werke seit Ende der 20er Jahre in der Sowjetunion weder publiziert noch gespielt werden durften. Dabei ist Der Meister und Margarita weniger ein politischer als vielmehr ein religiös-philosophischer Roman, ja fast eine moderne Faust-Legende. Drei Handlungsstränge verwickelt Bulgakow hier miteinander: Das Verhör Christi durch Pilatus, die grotesken Lebensverhältnisse im Moskau der 30er Jahre und die tragische Lebensgeschichte des ‘Meisters’, einem selbstzweiflerischen Schriftsteller und der an ihn glaubenden Margarita, seiner Geliebten...
... leistete der Kölner Komponist York Höller in den Jahren 1984 bis 1989... die Herkulesarbeit, aus der verwickelten Romangeschichte ein Opernlibretto zu schneiden und dieses in Musik aufzuheben, die alle Schattierungen menschlichen Singens und Sprechsingens, wie sie Alban Berg im Wozzeck vorgab, zur Selbst-Charakterisierung der zahlreichen Romanfiguren nutzt. Die Sing- und Sprechpartien unterfängt, umgibt, vermittelt oder konterkariert Höller mit einer dramatischen, also bildkräftigen und vorwärtstreibenden Theatermusik, die das orchestrale Klangspektrum ebenso maßvoll wie virtuos einsetzt, um die Leiden des Meisters um seinen Christus-Roman, die Lügen strafenden Eingriffe des Teufels, die von ihm inszenierten, klärenden Verwirrspiele und surrealen Geschehnisse im Schriftstellerhaus, in der unheimlichen Wohnung, der psychiatrischen Klinik, beim Satansball, auf dem Schädelberg und auf den Sperlingsbergen in Spannung zu halten und jedem Spielort seine eigene Couleur locale anzutragen – eine imponierende schöpferische Tat, die ihre Weltpremiere 1989 an der Opéra de Paris und ihre deutsche Erstaufführung 1991 an der Oper der Stadt Köln erlebte."
(Lutz Lesle, NZfM, 2/2001)
„Die Bühnenversion, die höchste Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, ist die 1989 im Pariser Palais Garnier uraufgeführte Oper des Deutschen York Höller. Sie ist erst jetzt auf CD erschienen: diese Aufnahme ist von der deutschen Erstaufführung 1991 in Köln übernommen worden und bestätigt den Eindruck, den die Uraufführung vor 11 Jahren gemacht hat: daß dies ein packendes und ungemein phantasievolles Werk ist, reich instrumentiert und sorgfältigst entworfen...
Ganz natürlich erhält Höller die großen spektakulären Szenen und macht sie gleichzeitig zu Gliederungspunkten seines dramatischen Schemas – Volands magische Tour de force beendet den 1. Akt und Margaritas Reise durch die Lüfte eröffnet den zweiten, der seinen Höhepunkt im satanischen Ball findet und mit dem Flug der Liebenden in die Ewigkeit endet. Diese Momente bringen auch die schönste Musik hervor, in der Höllers Meisterschaft in Elektronik deutlich wird... Die Texturen von Meister und Margarita, die er schafft, sind betörend: ätherisch passend zu den beiden Reisen und eine erstaunliche Collage von Musik aus der Renaissance bis in die 60er Jahre für den Ball, gipfelnd mit den Rolling Stones, die natürlich Sympathy for the Devil singen...
Höller hat sein eigenes Kompositionssystem erfunden, das ihm ermöglicht, elektronische und instrumentale Elemente zu integrieren. Dennoch, vokal und instrumental erinnert seine musikalische Sprache mehr als alles andere an Lulu, und Bergs Oper scheint einer seiner Haupteinflüsse zu sein. Die Partitur ist sicherlich sehr singbar, und die Kölner Besetzung, angeführt von Richard Salter als Meister und Marilyn Schmiege als Margarita, mit Franz Mazura als unheilvoller Voland, meisterten sie vorzüglich. Lothar Zagrosek steuert einen klaren Kurs durch die Partitur, und obwohl die Tontechnik einen gewissen Bühnenlärm nicht vermeiden kann, gelingt ihr die Balance zwischen Elektronik- und Live-Instrumenten sehr wahrheitsgetreu. Es ist eine faszinierende und wichtige Oper, basierend auf einem wunderbaren Buch."
(Andrew Clements, The Guardian, 22.12.2000)
"Die Oper ist tot." Man ist geneigt, diesen periodisch wiederkehrenden Unkenrufen ohne Umschweife das bekannte Sprichwort entgegenzuhalten: "Totgesagte leben länger." Aber wir wollen uns mit Spruchweisheiten nicht zufrieden geben, stattdessen ein wenig dem Motiv für diese Behauptung nachgehen. Beim Nachdenken darüber fallen einem Parallelen ein: Wagner hielt es bekanntlich für unmöglich, nach Beethoven noch Sinfonien zu schreiben. (Höchstwahrscheinlich war er auch davon überzeugt, dass man nach ihm ebenfalls keine Opern mehr würde komponieren können.) Wir haben indes guten Grund, uns darüber zu freuen, dass die entschiedenen Wagnerianer Bruckner und Mahler – von den anderen ganz zu schweigen – dieses Verdikt nicht allzu ernst genommen und ihre „unmöglichen" Sinfonien geschaffen haben. Wäre ihnen deswegen Naivität, gar Ignoranz vorzuwerfen? Oder liegt nicht gerade im scheinbar „Unmöglichen" eine eminente Herausforderung? Ist es nicht zugleich unsere Lust und unsere Pflicht, am "Utopischen" zu arbeiten (ohne dabei die Gefahr des Scheiterns aus den Augen zu verlieren)? Wir haben deshalb beschlossen, uns Dr. Rieux und Sisyphus – laut Camus ein "glücklicher Mensch" – zum Vorbild zu nehmen und unsere Sympathie einem gewissen "Fitzcarraldo" zu schenken, der – in dem gleichnamigen Film von Werner Herzog – nicht davor zurückschreckt, ein riesiges Schiff über Berge zu schleppen, um seinen Traum von einer Opernaufführung im Urwald zu verwirklichen!
Ist die Oper tot? Es fragt sich, ob sie jemals wirklich gelebt hat, beruht doch bereits ihre Geburt in der Florentiner "Camerata" auf einem erheblichen Missverständnis hinsichtlich der Vorstellung, in dieser Form das antike Drama wiederzubeleben. Die Missverständnisse über das Wesen der Oper haben sich offenbar perpetuiert. Anders sind jedenfalls die verschiedenen "Reformen", eingeleitet von Monteverdi, Gluck, Wagner und anderen, kaum zu erklären. Ich wüsste nicht, dass man sich über die "wahre" Art der Sinfonie- oder Kantatenkomposition dermaßen in die Haare geraten wäre, wie es beispielsweise bei den Gluckisten und Piccinisten der Fall war. Undenkbar auch ein so gewaltiger Entwurf wie der Wagnersche über "Oper und Drama" – und das auf zighundert Seiten! – etwa zum Thema "Die Variation". Man darf wohl behaupten, dass keine andere Musikgattung so vehemente Auseinandersetzungen und "Richtungskämpfe" evoziert hat wie die Oper. Sei es der Dauerbrenner "Wort-Ton-Verhältnis", sei es die "formale" Frage ("Nummern" oder durchkomponiert?"), sei es die Definition als "Oper", "Musikdrama", "Musiktheater", letzteres wieder unteilbar in "lyrisch", "episch", "surrealistisch", "absurd" etc., bis hin zur Diskussion des soziokulturellen Stellenwerts des Genres: die Streitereien hören nicht auf und werden wohl sobald nicht enden. Aber worüber gestritten wird, das lebt. So gilt also nach wie vor die Feststellung von Bernd Alois Zimmermann: "Die Oper bleibt lebendig, trotzdem sie eine völlig unmögliche Form ist: aller Unmöglichkeit zum Trotz bleibt sie lebendig." (B. A. Zimmermann: "Zu den ,Soldaten‘", in: Intervall und Zeit, Mainz 1974.)
Deshalb wäre es sicher falsch, angesichts der offenkundigen Tatsache, dass sich gegenwärtige Komponisten wieder verstärkt der Opernkomposition zuwenden, von einer bloßen Modeerscheinung zu sprechen. Richtig scheint vielmehr, dass sich das Interesse der Komponisten entsprechend den im Vordergrund stehenden Problemen naturgemäß verlagert: Standen die fünfziger und sechziger Jahre vorrangig im Vordergrund stehenden Problemen naturgemäß verlagert: Standen die fünfziger und sechziger Jahre vorrangig im Zeichen der Entdeckung und Erprobung neuer Formen und Klangmöglichkeiten, so ist es nur folgerichtig, dass gegenwärtiges Komponieren sich verstärkt der Frage des "Wie", der schlüssigen Handhabung eben dieser neuen Formen und Materialien widmet.
Dies ließe sich am eigenen Beispiel demonstrieren: Nach einer frühen "seriellen", einer darauffolgenden "informellen", dann "stochastischen" Phase, habe ich meine strukturelle Konzeption der "Gestaltkomposition" entwickelt, mir überdies aufgrund meiner jahrelangen Arbeit im Bereich der "analogen" und "digitalen" Elektronik über das traditionelle Instrumentarium hinaus ein einigermaßen breites klangliches Aktionsfeld geschaffen. Im Zuge dieser Entwicklung geriet die Intention, in einem groß angelegten szenischen Werk einmal sozusagen "alle Register zu ziehen", wie von selbst ins Blickfeld, zumal mir persönlich infolge meiner Ausbildung (u. a. Dirigierstudium) und vorübergehender Tätigkeit als Repetitor (an der Oper in Bonn) Berührungsängste mit dem Musiktheater fremd waren.
Es sei kurz dargelegt, warum ich den Roman von Michail Bulgakow als Stoff für meine Oper gewählt habe. Ich gestehe unumwunden, dass ich mich zuallererst von der ungewöhnlichen theatralischen Farbigkeit und "surrealen" Vielschichtigkeit des Stoffes angezogen fühlte. Darüber hinaus gewann eine tragische Konstellation zunehmend zentrale Bedeutung: die ausweglose Situation, in die ein russischer Schriftsteller (der Meister) gerät, nachdem er in Konflikt mit der herrschenden (kommunistischen) Ideologie gekommen ist, weil er sich mit "irrelevanten", ja "staatsgefährdenden" Dingen befasst (der Meister hat einen Schlüsselroman über Pontius Pilatus, bzw. die Frage des Zusammenhangs von Macht und Schuld verfasst). Diese Geschichte hat Bulgakow zwar in Moskau der Stalin-Ära angesiedelt, und sie weist deutlich autobiographische Züge auf, aber die hier dargestellte Problematik ist keineswegs auf jene Zeit beschränkt, dergleichen wiederholt sich ja unentwegt infolge der Intoleranz und des Gesinnungsterrors gewisser "Ideologen", seien sie nun rechts oder links, oben oder unten beheimatet. Ebenso gegenwartsnah ist das Dilemma jenes "Machthabers" (Pontius Pilatus), der, obwohl er das Richtige erkannt hat (die Unschuld Christi), aus Gründen der "Staatsräson" oft die sogenannten Sachzwänge oder die "technologischen Interessen", die wider besseres Wissen zu folgenschweren Fehlentscheidungen führen.
Die Aufzählung der Motive für die Stoffwahl wäre unvollständig, würde nicht auch jene Ebene zur Sprache gebracht, die das gewichtige Zentralthema gewissermaßen "spielerisch" kontrapunktiert: Ich meine jene Episoden und Szenen, in denen menschliche Schwächen wie Habgier, Bestechlichkeit und Eitelkeit auf satirisch-komödiantische Weise aufs Korn genommen werden. Das Libretto zu meiner Oper habe ich selbst verfasst. Diese Maßnahme glaube ich mit einem Hinweis auf bestimmte Eigenschaften, die den Roma von Bulgakow kennzeichnen, vertreten zu können: Er ist über weite Strecken ausgesprochen "theatralisch" angelegt, was angesichts der reichen Theatererfahrung des Autors keineswegs verwundert, ja sogar die Möglichkeit nicht ausschließt, dass das Ganze ursprünglich vielleicht für die Bühne konzipiert war. Die Hypothese gewinnt in meinen Augen eine gewisse Wahrscheinlichkeit dadurch, dass der Roman überaus reich an direkter Rede und plastischen Dialogen ist. Diese habe ich, soweit es ging, wörtlich übernommen. So bestand für mich die Librettierung im Wesentlichen darin – und hier gibt es durchaus eine Parallele zu Berg und Zimmermann – die einzelnen "Szenen" nach dramaturgisch sinnvollen Gesichtspunkten auszuwählen, zu kürzen, anzuordnen, umzustellen, zu verschachteln. Musikalisch gesehen setzt meine Oper die Linie meiner Orchesterwerke Schwarze Halbinseln, und Traumspiel und Magische Klanggestalt fort, und zwar auf mehreren Ebenen: Strukturell sind die vier Werke durch eine allen vier gemeinsame, auf einer Zwölftonreihe basierenden Klanggestalt miteinander verbunden, aus der ich für die Oper – durch das spezielle Verfahren der Projektion – einige charakteristische Ableitungen gebildet habe, die in erster Linie den Hauptfiguren zugeordnet sind. Diese Klanggestalt ist unterschwellig auch verantwortlich für die Großform. Das Dramatische, getragen von einer Einheit in der Mannigfaltigkeit stiftenden Formidee absoluter Musik!
Zu einem Formexperiment besonderer Art gab mir der "Satansball", die Neufassung einer klassischen Walpurgisnacht, Gelegenheit. Hier werden Geister der Vergangenheit im Sinne von Bulgakows Konzept der "Zweitvermischung" heraufbeschworen, hier fand ich eine Folie für eine Reihe von "Stilvariationen" vor, die von mittelalterlichen Tanzformen bis hin zu komplexen elektronischen Geräuschmontagen führen.
Überhaupt habe ich von den klanglichen Möglichkeiten der Elektronik ziemlich reichen Gebrauch gemacht: Es gibt nicht nur mehrfache Einspielungen von 4-Kanal-Tobändern (die ich bei IRCAM und im Elektronischen Studio der Kölner Musikhochschule realisiert habe), sondern auch Live-Eletronik (einen digitalen Synthesizer im Orchester). Die notwendigen Erfahrungen hinsichtlich des heiklen Problems der Verzahnung von Orchesterklang, Stimme und Elektronik habe ich anhand der oben genannten Orchesterwerke sammeln können, die deshalb aber keineswegs bloß als "Vorläufer", sondern als selbstständige Kompositionen zu betrachten sind.
Die Besonderheiten des Auftrags für meine Oper – zunächst von der Hamburger Staatsoper erteilt, dann von der Pariser Oper übernommen – sowie die damit verbundenen geographischen und temporären Verschiebungen der Uraufführung haben es mit sich gebracht, dass ich bei der Komposition in keinem Moment an eine bestimmte Premierenbesetzung denken konnte. ich empfand das allerdings auch nicht als Manko, denn ich hatte schon frühzeitig nicht nur klare Vorstellungen vom Stimmfach bzw. Charakter meiner Akteure, sondern fühlte mich bei deren musikalisch-szenischer Ausgestaltung auch nicht durch etwaige "Vorhaben" eingeschränkt.
Das Werk ist meiner Mutter und meiner langjährigen Lebensgefährtin Gisela Sewing in Liebe gewidmet.
dramatisch, heiter, poetisch
Richard Salter / Marilyn Schmiege / Franz Mazura / Gürzenich-Orchester Köln / Lothar Zagrosek
Col Legno WWE 3CD 20059