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Figaro läßt sich scheiden
(Figaro Gets Divorced) (1963)Libretto by the composer, after Ödön von Horvath (G)
3S,M,3T,2Bar,BBar,10B,speaking roles; optional ballet;
1.1.corA.1.basset hn.bcl.2-2.1.1.0-timp.perc-harp-strings;
On-stage: 0.picc.1.0.asax.0-2.1.1.1perc-harmonium-hpcd
Abbreviations (PDF)
Bote & Bock
Hamburg
Conductor: Leopold Ludwig
Company: Ensemble der Staatsoper Hamburg
GRAF ALMAVIVA | Bariton |
DIE GRÄFIN, seine Frau | Sopran |
FIGARO, Kammerdiener des Grafen | Bariton |
SUSANNA, seine Frau, Zofe der Gräfin | Sopran |
Ein Offizier | Tenor |
Ein Arzt | Baß |
Vier Grenzbeamte | Bässe |
Ein Forstadjunkt | Tenor |
Hebamme | Mezzosopran |
Hauptlehrer | Baß |
Antonio, Schloßgärtner, Susannas Onkel | Baß |
Fanchette, seine Tochter | Sopran |
Pedrillo, ihr Gatte, ehemaliger Reitknecht des Grafen | Baßbariton |
Wachtmeister | Baß |
Cherubin, ehemaliger Page des Grafen | Tenor |
Ein Gast | Baß |
Ein Kommissar | Baß |
Carlos und Maurizio, Findelkinder | Sprechrollen |
Ein Trommler | |
Die Wache |
Zwei benachbarte Länder während und nach einer Revolution
Graf Almaviva, die Gräfin, Figaro und Susanna fliehen vor den marodierenden Schergen der Revolution über die grüne Grenze ins Nachbarland. Dort werden sie arretiert, dank der diplomatischen Kontakte des Grafen aber bald wieder auf freien Fuß gesetzt. Man begibt sich in einen berühmten Skiort, um dort das Ende der Revolution und die Wiederherstellung der alten Verhältnisse abzuwarten. Da der gewohnte Lebensstil aufrechterhalten wird, sind die Ressourcen bald zu Ende. Inzwischen hat sich das neue System installiert, so daß an Rückkehr nicht mehr zu denken ist. Bevor der soziale Abstieg des Grafen beginnt, trennen sich Figaro und Susanna von ihrem Brotherren. Figaro kauft einen Friseursalon in Großhadersdorf, um seinem früheren Gewerbe nachzugehen. Er, der einst die Revolution prognostiziert und – im kleinen – gegen den Grafen geprobt hatte, verbürgerlicht in kürzester Zeit, was zu Spannungen mit Susanna und schließlich zum Bruch der Ehe führt. Susanna wollte von Figaro ein Kind, was dieser aber in der „heutigen Zeit“ für nicht opportun hält.
Susanna wird von Cherubino, der in der Hauptstadt des „Gastlandes“ ein Emigrantenlokal führt, als Kellnerin angestellt und kann so ohne Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung überleben. Eines Tages taucht der mittlerweile verwitwete, gänzlich verarmte und heruntergekommene Graf auf. Susanna beschließt, allen Risiken zum Trotz, mit ihm auf den alten Herrensitz zurückzukehren, den die neuen Machthaber – Ironie der Geschichte – zum Heim für Findelkinder umfunktioniert haben. Auch Figaro, der es ohne Susanna in Großhadersdorf nicht aushält, hat sich nach Hause aufgemacht, den neuen, linientreuen Gutsverwalter und ehemaligen Stallknecht Pedrillo der Korruption überführt und selbst das Szepter über das Reich der Kinder in die Hand genommen. Figaro, zum Humanisten gereift, versöhnt sich mit Susanna und gewährt Almaviva Asyl.
Zu meinem Figaro
Im Dezember 1961 gab mir Rolf Liebermann den Auftrag, für die Hamburgische Staatsoper und ihr Ensemble eine Oper zu schreiben. Mit meinen schon bestehenden Plänen, mich mit dem Figaro-Stoff zu beschäftigen, begegnete sich die Anregung Oscar Fritz Schuhs, dem ich hierfür großen Dank schulde, als Libretto Ödön von Horváths 1937 uraufgeführte Komödie Figaro läßt sich scheiden zu verwenden. Meine Arbeit begann am 12. Juli 1962 und war am 11. April 1963 abgeschlossen.
Immer haben mich zur Wahl meiner Libretti besonders die Aktualität eines Stoffes oder auch einzelne dramatische Situationen bestimmt, die mir auch losgelöst von der Handlung als zeitlos gültig erschienen. Verdeutlichen kann ich dies vielleicht mit dem Hinweis auf zwei Sätze, die sich im Vorwort Horváths zur ersten Ausgabe seines Stückes finden und die ich fast wörtlich als Schlußätze in die Oper übernahm: Die Menschlichkeit ist von keinen Gewittern begleitet, sie ist nur ein schwaches Licht in der Finsternis. So wollen wir hoffen, daß kein noch so starker Sturm es auslöschen kann.
Meinem Gefühl am nächsten standen die Hauptpersonen der Handlung und die Verknüpfung ihrer Schicksale: Figaro und Susanna, der Graf und die Gräfin, Pedrillo und Fanchette – wobei Pedrillo und Fanchette wohl bei Beaumarchais, nicht aber unter diesem Namen bei Mozart vorkommen. Den Mut, einen neuen Figaro zu schreiben, fand ich letztlich aus der Erkenntis heraus, daß die Konflikte der traditionellen Personen sehr weitgehend nicht mit denjenigen der Libretti von Mozart und Rossini identisch sind, sondern heute noch mehr als unsere eigenen verstanden werden können.
In der Musik habe ich mich bemüht, meinem Ideal: der italienischen Nummernoper mit ihrem Wechsel von Ensembles und Arien, also dem absoluten Primat des Gesanges, noch näher zu kommen. Die Begleitung durch das Orchester ist an der Zwölftontechnik orientiert, strebt jedoch innerhalb dieser Technik nach einer neu differenzierten Harmonik.
heiter, poetisch