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The Minotaur
(2005-2007)Libretto von David Harsent (engl.)
Major roles: M,Bar,B; Subsidiary roles: 2S,CT,T,male speaker; Minor roles: 2S,M,2CT,speakers; chorus (SATB)
3(II,III=picc).3(III=corA).4(II=Eb,bcl;III=bcl;IV=bcl,dbcl).asax.3(III=dbn)-4.4.4(IV=contrabass tbn).2-timp(2 sets,on stage).perc(4):xyl/glsp/vib/crot/guiro/3tom-t(hi)/3tom-t(lo)/2BD(sm,lg)/2 log dr/tgl/4 wdbl/4 tpl.bl/2 bongos/2 conga dr/4 susp.cym/3 tam-t/2 nipple gongs(lg)-2harp.cimb-strings(14.12.10.8.7)
Abbreviations (PDF)
Boosey & Hawkes
Royal Opera House, London
John Tomlinson / Stephen Langridge, director / Alison Chitty, designer
Conductor: Antonio Pappano
Company: Royal Opera House
ARIADNE | Mezzosopran |
THESEUS | Bariton |
MINOTAURUS 1 | Baß |
MINOTAURUS 2 (Schatten von Minotaurus 1) | Sprechrolle |
HIEREUS | Tenor |
SCHLANGENPRIESTERIN | Countertenor |
KER 1 | Sopran |
KERES | Sprechrollen |
Junge Frau | Sopran |
Unschuldige | 2 Soprane, Mezzosopran, 2 Countertenöre |
Menge | gemischter Chor (SATB) |
9-12 Akrobaten und Tänzer |
Kreta, in Minoischer Zeit
Der Minotauros war ein mythisches Wesen, halb Mensch, halb Stier, das in einem Labyrinth auf Kreta eingesperrt war. Er war Nachkomme von Pasiphae, der Gattin des Königs Minos, und entsprang ihrer widernatürlichen Liebe zu einem Stier, den der Gott Poseidon auf die Bitte des Minos aus dem Meer emporgeschickt hatte.
Jahr für Jahr muss Athen junge Männer und Frauen zum Opfer ins Labyrinth des Minotaurus schicken, als Rache für die Ermordung des Minos durch die Athener. Theseus, der mutmaßliche Sohn des Ägeus und König von Athen (er könnte allerdings auch der Sohn des Poseidon gewesen sein), bietet sich als Opfer an und geht mit nach Kreta, in der Absicht, den Minotaurus zu töten und so die Athener von ihrer Schuldverpflichtung zu befreien.
Zu Beginn der Oper grüßt Ariadne, die Tochter von Minos und Pasiphae, die unschuldigen Ankömmlinge aus Athen. Unter ihnen ist auch Theseus. Sie fühlt sich zu ihm hingezogen, doch trauen beide ihren gegenseitigen Absichten nicht. Ariadnes einziges Ziel ist es, dem Schicksal des Gefangenseins auf der Insel zu entkommen. In Theseus wittert sie die Gelegenheit zur Befreiung.
In seinen Träumen zeigt der Minotauros, der ansonsten nicht sprechen kann, die menschliche Seite seiner Doppelnatur. In zwei symmetrischen Szenen in jeweils einer Hälfte der Oper hat er Visionen von Ariadne, von seinem Doppelgänger und von einer schemenhaften Gestalt (es ist Theseus), die ihn bedroht, obgleich er die Bedrohung nicht versteht.
In einer blutrünstigen, gleichwohl ritualhaften Szene in der Mitte des Werkes werden die Opfer gefangen und vom Minotauros aufgespießt. Die Keres, eine Gruppe weiblicher Todesdämonen in Gestalt von Harpyien, reißen den Sterbenden das Herz aus dem Leib und verschlingen die blutigen Leichen.
Ariadne versucht Theseus zu überreden, sie mit nach Athen zu nehmen, doch er lehnt ab. Sie befragt das Orakel, um zu erfahren, wie er, sollte er den Minotauros besiegen, aus dem Labyrinth wieder herausfinden könne. Solches Wissen, so glaubt sie, verleiht ihr Macht genug, um von Theseus ihren Willen zu verlangen. Das Orakel in Gestalt eines Priesters, oder Hiereus, rät Ariadne, Theseus ein Wollknäuel zu geben, das er beim Gang durch das Labyrinth abspulen und damit den Weg wieder zurückfinden könne. Auf Ariadnes drängendes Fragen nach ihrer und Theseus’ gemeinsamer Zukunft erklärt das Orakel, dass sie mit Theseus zusammen Richtung Athen fahren werden. Diese Prophezeiung trifft zwar zu, doch weist sie bereits auf Ariadnes Unglück hin.
Der Schlussteil der Oper stellt den Kampf zwischen Theseus und dem Minotauros sowie dessen Tod dar. Sterbend erlangt er die Fähigkeit der menschlichen Sprache und schildert die Leere seiner Existenz. Als Ariadne und Theseus bereits mit dem Schiff unterwegs sind, kommen die Keres zurück und verspeisen die Leiche des Minotauros, womit das Ende der ersten Hälfte ihre Widerspiegelung findet.
Die Götter sehen herab und lachen ...
David Harsents Neuerzählung des Mythos vom kretischen Minotauros zeigt das Tierwesen aus einer eindrucksvollen Perspektive, indem es dessen innere Welt betrachtet und für Ariadnes tiefe Beziehung zu Theseus einen dunklen und zwingenden Grund findet.
Der Minotauros, gefangen im Labyrinth, bewohnt eine enge, erbarmungslose Welt. Er ist unfähig, seine physische Doppelnatur als halb Mensch und halb Stier zu begreifen; nur im Schlaf und schließlich im Sterben tritt seine menschliche Seite hervor. Auch Ariadne lebt in dem Bewusstsein, gefangen zu sein. Sie sehnt sich danach, Kreta verlassen zu dürfen, den Ort, der sie nur an ihre unsägliche Vorgeschichte erinnert. Die Hybris ihres Vaters führte dazu, dass ihre Mutter eine Sünde gegen die Natur begang, woraus ihr monströser Halbbruder entsprang.
Ariadne hofft, Theseus mit Hilfe des Orakels helfen zu können, einen Ausweg aus dem Labyrinth zu finden, falls er seine Begegnung mit dem Minotauros überleben sollte. Sie glaubt, damit Macht über Theseus erlangen und ihn überreden zu können, sie mit nach Athen zu nehmen. Für beide ist der Minotauros sowohl Sündenbock als auch Mittel zur Befreiung. In diesem Geflecht von Doppelzüngigkeit, Grausamkeit, Verlust und Verrat ist keiner unschuldig, auch wenn keiner die ganze Schuld trägt.
Harsents packende Fassung erzählt die bekannte Geschichte in einer originellen Interpretation.
„Birtwistle hat eine Vorliebe für mythologische Opernthemen. Mit The Minotaur überzeugt er auf ganzer Linie mit einem spannenden Lehrbuchbeispiel für die Oper als ein Gesamtkunstwerk aus Klang, Wort, Bühnenzauber, Helden und Dramatik. Die Komposition orientiert sich in Rhythmus, Stimmung und Opulenz stets am Adrenalingehalt der dramatischen Situationen. Eine Basis aus tiefer Instrumentierung, die sowohl die drohende Kraft des Meeres und die Ausweglosigkeit des Labyrinths wie auch die seelischen Abgründe der handelnden Personen begreifen lässt, ist stets präsent.“ (Brigitte Kempen, Opernglas 6/2008)
„Birtwistles Musik besticht durch oft rabiate Intensität, nicht zuletzt in der Bevorzugung der Blechbläser. Fast stets tönt sie ausgesprochen ungemütlich, finster oder schrill, rhythmisch bei aller Motorik, gezackt-irregulär. Tritt der Minotaurus auf, wird ihm nur eine animalische Phantasie-Grunzsprache zugebilligt... Doch im Traum und im Dialog mit dem Sprach-Double darf sich der Stiermensch geradezu belcantistisch verströmen.“ (Gerhard R. Koch, F.A.Z., 19.04.2008)
„Was für ein brillanter Text! Exquisit in der Wortwahl, dunkel an Archaisches und Blutrünstiges im Leser rührend, erzählt Lyriker David Harsent seine Version der Geschichte. Wie Kretas Herrschertochter Ariadne entfliehen will: ihrer Mutter, die es mit Viechern treibt, dem Vater, der ein eidbrüchiger Schwächung ist. Wie sie sich, gleich ihrem Halbbruder, dem Minotaurus, nach Freiheit, Erlösung sehnt. Und wie Theseus, der Fremde, diese Freiheit ihr und ihrem Bruder bringt. Eine Befreiung – die in einem Fall Tod, im anderen Exil, Einsamkeit bedeutet. The Minotaur ist brillant und vollkommen... rührt ständig, fordernd an die Frage, was uns heute dieser Mythos soll.“ (Reinhard J. Brembeck, Süddeutsche Zeitung, 09.05.2008)
dramatisch, poetisch, tragisch
John Tomlinson / Johan Reuter / Christine Rice /
Andrew Watts / Philip Langridge / Amanda Echalaz /
Royal Opera House / Pappano / Stephen Langridge, dir
Opus Arte DVD 0A1000D
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