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Bernarda Albas Haus (with Helmut Oehring)
(The House of Bernarda Alba) (1999)nach dem Stück von Federico García Lorca
deaf soloist (female), soprano (male); 7 dancers;
elec.gtr-db-live electronics
Abbreviations (PDF)
Bote & Bock
Basel
Joachim Schlömer, Choreograph
Company: Theater Basel
"Ein Stück über das Schweigen" So lautete das Thema, das sich Joachim Schlömer und Helmut Oehring zu Bernarda Albas Haus gestellt haben. Federico García Lorcas Geschichte der alten Bernarda und ihren Töchtern wird mit den Mitteln des Tanztheaters neu erzählt. Dabei interessiert hier nicht primär die spanische Dorftragödie, als vielmehr die Auswirkungen und Prinzipien von Verboten und Tabus. Wie sieht das Leben von sieben Frauen in einem Haus aus, in dem das Thema der Sexualität Tabu ist? Die Musik Helmut Oehrings gibt dieser "Tragödie" einen musikalischen Raum, in dem diese beklemmende "Atmosphäre des Schweigens" durch die kompositorische Verdichtung von elektronisch verfremdeten Klängen aufs eindrücklichste sichtbar gemacht wird.
"Das Basler Bernarda-Team geht in seiner Abstraktion weiter als alle anderen, die eine Umsetzung des Schauspiels in Tanz versucht haben. Die Fabel interessiert hier nur insofern, als sie die Atmosphäre von Hysterie erzeugt, auf die es Schlömer und Oehring ankommt: ein Dampfkessel unterdrückter Leidenschaften, beinahe von Beginn an in der Gefahr zu explodieren.
Aktiver als bei den meisten anderen Tanzstücken ist die Musik an der Erzeugung dieser Atmosphäre beteiligt...eine unkonventionelle Musik aus melodisch durchsetzten Geräuschen: Gesangskantilenen, die sich über Cluster aufschwingen, nervöses Sägen des Kontrabasses, elektronische Explosionen, hinter denen, fast unhörbar, Schuberts Ave Maria oder der ferne Gesang eines Muezzins sich entfaltet.
Schlömers Choreografie verdichtet Oehrings musikalische Vorgaben zu einem dunklen Malstrom, der den Zuschauer unaufhaltsam mit sich reißt. Fünfviertelstunden lang bohrt sich die Aufführung beinahe schmerzhaft ins Nervenzentrum des Publikums." (Jochen Schmidt, FAZ, 19.11.1999)
"Mit den Autoren trafen offenbar drei Gleichgesinnte, Gleichempfindende zusammen, denn es wurde ein Tanztheaterstück ‘wie aus einem Guß’. Helmut Oehring und Iris ter Schiphorst entwickelten eine klangliche Partitur, die sich zwischen den Extremen eines zeitlupenhaft herbeigeführten Stillstands und musikalischer Erstarrung in gleißendem Lärm bewegt. Monotone Wiederholungen, Brüche, Neuansätze des Gleichen, Loops, vereinzelt Klänge ‘von daußen’ (Glocken, ein Vogel) und immer wieder Fragmente von Bach und Schubert – Erinnerungen an einst, an eine heile Welt, Sehnsucht, untergegangen im Rauschen eines uralten Grammophons. Den Lorca-Figuren fügten Oehring und ter Schiphorst ein eigenwilliges Paar hinzu. Seine Funktion gleicht derjenigen des Evangelisten in Bachs Passionen, tatsächlich verkörpert es aber die Nichterzählbarkeit einer Geschichte, weil deren Realität in den Emotionen spielt: die gehörlose Darstellering Christina Schönfeld, die Grundzüge des Schicksals von Bernarda Alba und ihren Töchtern in Gebärdensprache erzählt, denen der Countertenor Arno Raunig – dessen Text man naturgemäß im Cantilenengesang ebensowenig versteht – im Wortsinn Ausdruck verleiht. Es ist ein im ganzen Stück merkwürdig querstehendes Paar – auch musikalisch –, weil es eigentlich das tut, was man erwartet, aber letztlich doch nicht vestehen kann.
Ausgerüstet mit dieser fertigen Partitur schuf Joachim Schlömer für das Ensemble des Tanztheaters Basel eine Choreographie von realistischer Symbolik in den (Bühnen- und Kostüm-Nicht-)Farben schwarz/weiß – und gelegentlich rot (Frank Leimbach, Gesine Völlm). Ein tödlicher Flamenco ist darin der einzige ‘richtige’ Tanz. Ebenso wie in der Musik dominieren auch die Tanzsprache Diskontinuierliches, Fragmente: als Störung, zielloser Aktivismus, ergebnislose Ausbrüche. Nur Bernarda Alba repräsentiert mit ihren langsamen Gängen und Bewegungen beängstigende Beständigkeit. Musik und Tanz verschmolzen in diesen Ur- und Erstaufführungen zu einem schwarzen Gefühlstheater aus Gesten, Bewegung und Klang, kompromißlos, ohne Beschönigungen, brutal – aber berührend. Die Tänzerinnnen des Tanztheaters Basel und die Instrumentalisten Peter Kowald (Kontrabaß), Markus Retschnefki (präpariertes Klavier, Keyboard) und Jörg Wilkendorf (E-Gitarre) sorgten für die notwendige tänzerische sowie akustische Präsenz. Und im Hebbel-Theater hatte ich auch endlich einmal einen Sitzplatz, um die Notwendigkeit der Dolby-Surround-Aussteuerung (Torsten Ottersberg) am eigenen Leib erfahren zu können." (Giesela Nauck, Positionen, Februar 2000)
tragisch
Arno Raunig / Christina Schönfeld / Jörg Wilkendorf / Peter Kowald / Markus Reschtnewki u.a.
(Deutscher Musikrat - Musik in Deutschland 1950-2000 / Tanztheater / Motive der Weltliteratur)
BMG 74321 73577 2