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Dokumentaroper
(Documentary Opera) (1994-95)Text by Helmut Oehring (G)
M, voice, 3 deaf soloists;
ob.sax.tpt.trbn.tuba-perc-vln.vlc.elec gtr-live electronics
Abbreviations (PDF)
Bote & Bock
Saalbau, Witten
Maxim Dessau, Regisseur
Conductor: Roland Kluttig
Company: Kammerensemble Neue Musik Berlin
Es gibt weder Rollen noch Dialoge, weder einen imaginären Schauplatz noch irgendwelche Szenen. (Und somit auch keine Anhaltspunkte für eine Inszenierung, zumindest nicht auf den ersten Blick.) Alles ist Szene, aber die Szene ist nicht alles. Denn die „Musik“, genauer: alles, was klingt, ist komplett inszeniert! Allerdings auf eine nicht sichtbare Weise. Klänge bewegen sich von links nach rechts, von hinten nach vorn, durch die Mitte etc., obwohl keiner der Agierenden seinen „Schauplatz“ verläßt. Das heißt, ein Großteil der Handlung – die Oper? – spielt sich unabhängig vom Geschehen auf der Bühne ab... In diesem trügerischen Feld kapituliert die Wahr-Nehmung bzw. das, was man dafür hielt. Die Ortung von Nähe und Distanz, Innen und Außen, Subjekt und Objekt funktioniert nicht mehr, das (Hörer-) „Ich“ ist plötzlich grenzenlos... So ist die Dokumentaroper in der Tat ein Dokument über das Scheitern von Sprache. Über die Grenzen von Kommunikation. (Als wäre man bei irgendeinem Ende angekommen. Als würde Sprache nur noch von selbst sprechen und unaufhörlich ihre Floskeln in die Welt schicken; Maschine sein.)
Iris ter Schiphorst
"Oehrings eigenes Libretto besteht aus Versuchen, Beobachtungen festzuhalten, Alltagsweisheiten, Sprüche, Klischeeformeln, auch Verstiegenheiten im bemühten Ausdruck: Dokument der Kommunikationslosigkeit in der heutigen Gesellschaft, des Verlusts der Sprachfähigkeit.
Oehring verteilt seine Textmontage auf eine Sprecherin, einen Mezzosopran und drei taubstumme Darstellerinnen auf drei Podesten zwischen den im Halbkreis sitzenden Instrumentalisten. Ihre Gesten greifen auf die beiden anderen Darstellerinnen über. Bewegungen werden mit einem Datenhandschuh in die Klangstruktur ‘eingespeist’, verstimmen die Tonhöhe bestimmter Instrumentengruppen. Oehring ‘baut’ aus den neuen Instrumentalisten des Kammerensembles Neue Musik Berlin unter Leitung Roland Kluttigs, aus Live-Elektronik, Sampler und Zuspielband einen differenzierten, komplexen Klang-Raum, in dem sich die Akteure, zu denen zeitweilig auch die Musiker gehören, frei bewegen können, wobei Headsets und Mikroportanlagen den Kontakt mit dem Klang-Raum bewahren.
Oehring montiert Rockrhythmen. Jazzsequenzen und elektronische Klangerfindungen mit den Stimmen der Spieler zu einer Klang-Partitur, der es vielleicht ein wenig an formaler Stringenz fehlt, an innerer Spannungsdichte: aber sie gibt Raum frei für die verschiedenen Interaktionen, deren musikalische und szenische Gestik immer enger zusammenwächst. Insofern enthält Oehrings Dokumentaroper ein utopisches Element: Im Klang heben sich die Distanzen auf, ist Kommunikation realisierbar.
Maxim Dessaus Inszenierung erreichte in ihren besten Augenblicken eine große Dichte zwischen den kommunizierenden Ausdrucksträgern." (Gerhard Rohde, FAZ, 06.06.1995)
dramatisch, poetisch
Salome Kammer/Ulrike Zech/Berlin Neue Musik/Roland Kluttig
Wergo WER6534
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