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Blank Out
(2015)Libretto und Filmskript von Michel van der Aa nach Texten von Ingrid Jonker in englischer Übersetzung von Antije Krog und André P. Brink (engl.)
S-Bar-choir-soundtrack(4channel); film(3D).
Bar and choir only on film
Abbreviations (PDF)
Bote & Bock
Muziekgebouw aan 't IJ, Amsterdam
Michel van der Aa, Regisseur
Company: Miah Persson, Roderick Williams / Nederlands Kamerkoor
Frau | Sopran |
Mann | Bariton (im Film) |
Eine Frau, allein auf der Bühne. Sie hat die Orientierung verloren. Sie nimmt sich selbst mit einer Videokamera auf und singt Textfragmente. Allmählich ergeben ihre Sätze einen sinnvollen Zusammenhang. Wir erfahren von einem furchtbaren Unfall aus dem Jahr 1976, der einen schweren seelischen Schock bei ihr ausgelöst hat. Vom Rand des Deiches in der Nähe ihres Haus sah sie ihren sieben Jahre alten Sohn erst schwimmen, dann ertrinken. Sie war wie gelähmt, unfähig zu reagieren.
Die Frau spricht von diesen Erinnerungen, während sie langsam ein kleines Modellhaus baut. Sie rekonstruiert und erklärt die Beziehung zu ihrem Sohn und sucht nach Gründen für die emotionale Distanz zu ihm. Als die Grenze zwischen Realität und der Modell-Welt zu verschwimmen beginnt, erscheint als Videoprojektion ein Mann.
Der Mann singt ein Duett mit den Videoaufnahmen der Frau vom Beginn der Oper und vervollständigt ihre Version der Geschichte. Auch er hat ein Trauma durchlebt: Die Frau auf der Bühne ist seine Mutter, die an jenem Tag gestorben ist, als sie ihn vor dem Ertrinken gerettet hat.
In seiner Rückschau fügt der Mann eine neue, eigene Perspektive zu den Ereignissen rund um den Unfall hinzu. Wir erkennen, dass die Frau auf der Bühne lediglich ein Konstrukt seiner Erinnerung ist. Beide singen und tanzen zusammen. Während das Stück auf seinen Höhepunkt zusteuert, ertrinkt die Frau in ihren eigenen Worten, wohingegen der Mann verzweifelt an seinen Erinnerungen festhält.
Die Frau verschwindet von der Bühne; der Mann trauert ihr nach.
Text und Figuren in Blank Out beinhalten Elemente aus den Werken der südafrikanischen Dichterin Ingrid Jonker. Die Geschichte ist jedoch nicht biographisch.
Michel van der Aa & Sophie Motley
Eine zutiefst humane Geschichte und eine technologische Innovation: Michel van der Aas Blank Out verbindet Emotionalität und Hightech. Interaktiver 3D-Film und Live-Elektronik begleiten in diesem Bühnenwerk die solistische Tour de Force einer Sopranistin. Ihr männlicher Gegenpart antwortet auf der 3D-Leinwand. Kindheitserinnerungen, urbane Einsamkeit und traumatische Lebenserfahrungen stehen im Zentrum der Geschichte, die auf Leben und Werk der tragisch ums Leben gekommenen südafrikanischen Schriftstellerin Ingrid Jonker basiert. Blank Out erschafft eine tönende Landschaft, in der Musik und Geräusche aus den Bewegungen der 3D-Kamera generiert werden – gelenkt alleine von der Sängerin, ohne Orchester und Dirigent. Auf ihre seelische Expedition reagiert die Kamera, die aus einem Miniaturmodell faszinierende Welten erstehen lässt.
"Das Libretto changiert zwischen Hermetik und einfacher Sprache und erweist sich als idealer Ausgangspunkt für van der Aas eigenen musikalischen Mix aus Schlafen und Wachheit, aus fließender Lyrik und spürbarer Kantigkeit. Van der Aas Musik ist oft nicht nur außergewöhnlich schön. Es gelingt ihr zugleich, eine höchst individuelle Verschmelzung aus A-cappella-Chormusik, Soundtrack, lyrischen Vokallinien und treibendem Techno als gänzlich natürliche Verbindung zu präsentieren. Eklektizistisch? Van der Aas Wandlungsfähigkeit und vielseitige Begabung ist unsere musikalische Wirklichkeit!" (Mischa Spel, NRC, 22.03.2016)
"Obwohl rätselhaft und bisweilen mystifizierend, wird das Werk zu einem wunderbar fließenden und effektvollen Stück Musiktheater." (Andrew Clements, The Guardian, 22.03.2016)
"Van der Aa erzielt nach und nach immer größere Erfolge und entwickelt, auf der festen Grundlage seiner eigenen musikalischen Ausdrucksweise, die Palette seiner theatralischen Gestaltungsmöglichkeiten Vorwärts, Oper!" (Frederike Berntsen, Trouw, 22 Mar 2016)
"Die High-Tech-Oper verbindet Lust und Vergnügen mit urtümlicher Angst […] Vielleicht hat sich der Komponist/Produzent/Librettist einmal mehr aus der unermesslichen und vielseitig interpretierbaren Quelle eines Traums von bewusst oder unbewusst wahrgenommenen Urängsten bedient. Das Ergebnis ist in jedem Fall höchst angenehme Musik und märchenhafte Bilder, ohne dass man genau versteht, worum es überhaupt geht. […] Van der Aa erforscht in Blank Out die Grenzen dessen, was technisch möglich ist." (Erik Voermans, Het Parool, 28 Mar 2016)
"Blank Out ist so klug konzipiert, dass man auf halber Strecke vergisst, dass man eine 3D-Oper sieht. Film, Musik, Schauspiel: alles geht nahtlos ineinander über. Reine Magie: ein Sopran singt ein Duett mit sich selbst und mit einem Bariton, der nicht einmal wirklich auf der Bühne ist. Erstere erinnert sich an das Ertrinken ihres sieben Jahre alten Sohnes, während letzterer sich ins Gedächtnis zurückruft, wie seine Mutter, beim Versuch sein Leben zu retten, selbst ertrunken ist. Im Laufe der Vorstellung treten die beiden Realitäten zunehmend in einen Dialog miteinander und geben der Oper Tiefe und Substanz. […] Was man sieht und hört, hat enorme poetische Suggestivkraft […] Der faszinierende Klang eines Michel van der Aa: eine kaleidoskopartige Mischung aus bisweilen gregorianisch anmutender Vokalmusik, Popmusik und verschiedenen Geräuschen, wie etwa das Schlagen von Steinen oder das Knirschen von Kies. Van der Aa hat eine großartige, farbenreiche Musik geschrieben, die hervorragend aufgeführt wurde." (Oswin Schneeweisz, Theaterkrant, 21 Mar 2016)
dramatisch