OPERNSUCHE
Der Spiegel des großen Kaisers
(The Mirror of the Great Emperor) (1989-1993)Libretto von Detlev Glanert und Ulfert Becker nach dem Roman von Arnold Zweig (dt.)
2S,2M,A,T,Bar,B,child’s voice,mime;
3(III=picc,II=bfl).2(III=corA,II=bass ob or heckelphone).2(II=bcl).2(II=dbn)-3.3.3.0-timp.perc(4-5):crot/glsp/xyl/vib/t.bells/gongs(D,F)/2tgl/susp.cym(sm,lg)/cym/sizzle cym/watergong/3tam-t(sm,med,lg)/iron chains/flexatone/maracas/rattle/tamb/SD/whip/4wdbl/5tom-t/log dr/BD/hammer/thundersheet(sm)/2pairs of stones(sm,lg)/wind machine/sound of water/odaiko-harp-cel-pft-gtr-strings(10.0.8.6.4)-tape
Abkürzungsverzeichnis (PDF)
Bote & Bock
Nationaltheater, Mannheim
Peter Theiler, Regisseur
Dirigent: Jun Märkl
Ensemble: Nationaltheater Mannheim
DER KAISER, 35 / DER PAPST, 94 | Bariton |
LAURA, Geliebte des Kaisers, 18 | Sopran |
Ein Prinz aus Deutschland, 17 / Ein blinder Kriegskrüppel aus Deutschland, 70 | Alt |
Ein Prinz aus England, 17 / Ein blinder Kriegskrüppel aus England, 70 | Mezzosopran |
Ein Prinz aus Frankreich, 17 / Ein blinder Kriegskrüppel aus Frankreich, 70 | Sopran |
Eliser, Leibarzt des Kaisers, 55 / Meir, Armenarzt, 55 | Tenor |
Ein Fremder, 10 | Sopran |
Ein Fremder, 90 | Baß |
Die Stimme der byzantinischen Uhr | Kinderstimme |
Masilio, Aufrührer, 25 | stumme Rolle |
Rom und Palermo um Ostern im Jahre 1235
Der uralte Papst erfährt, daß der Kaiser trotz Bann das ihm verbotene Osterfest feiern will. In höchster Erregung verflucht er ihn und alle seine Nachfolger. Dies soll als Brief zur Residenz des Kaisers nach Palermo gelangen.
Drei Prinzen aus allen Teilen Europas treffen als Sendboten ihrer Staaten am prächtigen Hof des Kaisers ein und sind von der Schönheit des Südens fasziniert. Im Garten hören sie die verborgene Laura ein trauriges Lied singen. Auch sie kennen die merkwürdige Liebesgeschichte des Kaisers, der Laura seit vielen Jahren erst als Kind und dann als Geliebte an seinem Hof isoliert hält. Der Kaiser, der inzwischen die Botschaft des Papstes erhalten hat, läßt sich zur Zerstreuung das neue Geschenk seines arabischen Freundes Elkamil bringen. Es ist ein Spiegel, der die Zukunft zeigt. Nach der Erprobung des Spiegels – seine erste Vorhersage tritt tatsächlich überraschend ein – will der Kaiser die Zukunft seines Hauses wissen. Entsetzt muß er das nahe Ende sehen: die öffentliche Hinrichtung seines Enkels vor einer fanatischen Menschenmenge. Höchst erschüttert schickt der Kaiser alle weg, auch Laura, die ihn gerne lieben und trösten möchte. Nur auf seinen Leibarzt Elieser hört er, der ihm vorschlägt, den Armenarzt Rabbi Meir zu bestellen und sich von ihm die untere Welt zeigen zu lassen.
Meir, ein seltsamer, zwielichtiger Mensch, führt dem Kaiser das Elend seiner Stadt vor Augen. Dieser muß erkennen, daß aus seiner Vernunftordnung nichts Gutes ent standen ist. Laura hat inzwischen beschlossen, Kaiser und Hof zu verlassen. Sie fällt drei Kriegskrüppeln in die Hände, die ihr Gewalt antun. Die Szenen vermischen sich, Raum und Zeit sind aufgehoben. Die drei Krüppel zwingen den Kaiser, die letzte Vision zu sehen: die Zukunft seiner Welt, Europas. Alle sehen in alptraumhaften Bildern die Schlacht von Verdun 1916. Der Kaiser beschließt, den Spiegel zu ignorieren und diesen Tag zu vergessen. Meir, der ihm zur Erinnerung ein Kinderskelett überreicht und vom Kaiser weggeschickt wird, ahnt, daß dessen Zeit abgelaufen ist und daß Kriege ihn verschlingen werden.
„Der Spiegel der Geschichte hält uns die Sisyphos-Tragödie kompromißlos vor. Er ist als Bild der Gesellschaft, der Politik, der Moral, der Hoffnungen und Sehnsüchte brutal – weil ehrlich... Glanerts Musik bezieht einen Pluralismus des Zitierens und des Collagierens ein – aber das Prinzip wirkt dennoch bemerkenswert schlüssig und selbstbewußt. Der Henze-Schüler schreibt eine Bühnenmusik, die effektvoll die Rollen einkleidet und zugleich den philosophischen Zweig- Überbau atmosphärisch einfängt.“ (Jörg Loskill, Opernwelt 7/1997)
„Im ersten Akt überwiegen die Lyrismen, manch fast narkotisch wohllautende Klanggespinste und Ariosi... Doch mit der gräßlicheren Wirklichkeitserfahrung des Kaisers gewinnt auch die Musik an Massivität, ja Brutalität, und die Aufzüge der Schwefelarbeiter und Kriegskrüppel wachsen zu perkussiver Bedrohlichkeit an.“ (Gerhard R. Koch, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 25.11.1995)
„Herausgekommen ist aufregendes Musiktheater irgendwo zwischen Oper und szenischem Oratorium, ein Totentanz voller Härte und zugleich voll Innigkeit, ein großes Welttheater über Macht und Liebe, über Visionen und die Verhärtung des Herzens.“ (Norbert Ely, Deutschlandfunk, 24.11.1995)
dramatisch, poetisch, tragisch
Produktion Nationaltheater Mannheim
Deutscher Musikrat, Editon "Musik in Deutschland" (1950–2000) (Oper)
(excerpt)
BMG/ RCA 74321 73544 2