Expand
  • Besuche uns bei Facebook
  • Folge uns auf Twitter
  • Folge uns auf Instagram
  • Videos schauen in unserem YouTube-Kanal
  • Musik hören auf Spotify
  • Noten digital auf nkoda
English Deutsch Français

Eine Einführung in die Musik von Annette Schlünz
... Klänge, in die Stille hineinragend
von Felicitas Nicolai

Annette Schlünz hat eine feinsinnige und fragile Tonsprache entwickelt. Ihre Stücke verzichten bewußt auf virtuosen Glanz. Stattdessen sind sie von einer verhaltenen Farbenpracht, in der Töne und Klänge in die Stille hineinragen oder aus ihr heraus entstehen. Unter Einsatz avancierter Spieltechniken wird der Ton zum Mikrokosmos, der sich durch Auffächern seiner Bestandteile in pemanenter Bewegung befindet und damit ein Tor zu einer anderen - von innen gezeugten - Welt eröffnet.

Das sich durch alle Kompositionen ziehende Prinzip heißt „Poesie". Es ist die Weltsicht der Anverwandlung und Transformation, die aus den Stimmungen und Brechungen des Tages Töne werden läßt.

Dabei unterwirft sich die Komponistin einer selbstgewählten Askese, die ihr Vorbild in Anton Webern hat. Doch trotz der zahlensymbolischen Verwobenheit vieler musikalischer Details, trotz rational bedingter Formenkonstruktion verhalten sich ihre Klanggestalten eher wie Lebewesen, die sich der mentalen Kontrolle dann doch wieder entziehen, indem sie eigenständig und keimzellenartig im Prozeß der Komposition zu wachsen beginnen.

Annette Schlünz schrieb fast 50 Werke aller Genres: Solostücke, Kammermusik, das Orchesterstück Picardie (1991/92), Stücke für Live-Elektronik und verschiedene Instrumente, außerdem mehrere szenische Arbeiten, darunter die Kammeroper Matka (nach dem Theaterstück Die Mutter von Karel Capek) sowie die Kinderoper Un jour d’été (1996) auf ein Libretto von Pierre Garnier.Anfang der 80er Jahre entstanden vor allem kammermusikalische Werke, so das 2. Streichquartett An eine Vernunft (1982), basierend auf Texten von Arthur Rimbaud. Damit gibt Annette Schlünz erstmals eine ihrer Inspirationsquellen deutlich preis: die Poesie, die Bildkraft der dichterischen Worte, die Euphonie besonders der französischen Sprache.

Die angestrebte Haltung der konzentrierten und phantasievollen Verwendung eines sparsamen Ausgangsmaterials - oft nur ein mehrgliedriger Akkord, ein Intervall, ein Motiv, die manchmal über Zahlen - oder andere Symbolik miteinander verwoben sind - wird in einer Weise gehandhabt, die Musik an die Grenzen ihrer selbst treibt: Einerseits erwächst in den Fadensonnen. Musik für 17 Instrumente (1993) der Klang aus der Stille. Andererseits entfesselt Annette Schlünz im Orchesterstück Picardie (1992) Ausbrüche orgiastischer Musizierlust, die eine Affinität zu Varèses ungezähmten Klanggestalten nahelegen. Die Kammeroper Matka (1987/88) ist in dieser Hinsicht der Ausgangs- und erste Kulminationspunkt der biographischen und künstlerischen Wege, die sich in alle Richtungen geöffnet haben.

Felicitas Nicolai, 1998

Erfahren Sie immer das Neueste über unsere Komponist*innen und Notenausgaben