Bote & Bock
Schon im zweiten Satz der Musik für sieben Instrumente (1959) - dem zweiten Werk, das Yun in Europa veröffentlichte - scheint keimhaft und zum ersten Mal Yuns von der chinesisch-koreanischen Hofmusik inspirierte Idee des lang ausgehaltenen Tons vor. Diese reflektierte er um 1963 als "Hauptton" oder "Hauptklangtechnik" auch theoretisch und erprobte sie systematisch in Gasa für Violine und Klavier (1963) und Garak für Flöte und Klavier (1963). Garak (oder karak) ist, so Yun im Vorwort der Partitur, "eine Melodienfolge mit bestimmtem Ausdruckscharakter"; in der traditionellen koreanischen Musik versteht man darunter rund 200 melorhythmische Formeln, mit denen die Grundform changdan je individuell ausgeführt wird. Koreanische Musik beginnt in der Regel mit einem Impuls des Schlagwerks; danach setzt das führende - oft flötenartige - Instrument zum ersten lang ausgehaltenen Klang ein. Auch Garak beginnt mit solchen zeremoniellen Verläufen, bringt einen melismatisch bewegten Mittelteil und einen reprisenartigen Schluss, der die lang gezogenen, allmählich höher steigenden Einzeltöne des Beginns mit den Melismen des Kontrastteils kombiniert. Gegenüber der Haupttontechnik wirkt hier die reihentechnische Organisation als eine zweite, gleichsam untergründige Schicht.
Walter-Wolfgang Sparrer (1992)
Roswitha Staege, flute / Randolf Stöck, piano
Internationale Isang Yun Gesellschaft IYG 007