Kleine Kuttel-Daddeldu-Musik
(Small Daddle Diddledoo Music) (1997)historical barrel organ (79th Richter Bros.)
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Bote & Bock
Mechanische Musikinstrumente faszinieren Menschen wohl so sehr wie zum Beispiel der mechanische Schachspieler; eben nicht nur als frühe Form der Musikreproduktion, sondern auch als fröhlich-leblos-gespenstischer Gegenentwurf zu unserer Realität und zu unserer menschlichsten Entäußerung, der Musik. Der lebendige, atmende Ausdruck gerinnt zu einer brillanten, mit ungeheuren Möglichkeiten versehenen, aber immerhin toten Mechanik.
Die eigenartige Entstehungsgeschichte dar Jahrmarktsorgel als Lustbarkeitsinstrument verläuft zum Teil parallel mit dem mechanischen Klavier – nur daß eben der Jahrmarkt der Vergnügungsplatz derjenigen war, bei denen kein Klavier zu Hause stand und die zum größten Teil vorn Kulturleben ausgeschlossen waren.
Märsche, Tänze, Potpourris prägen das Repertoire der Jahrmarktorgel – und wie Strawinsky sich an eine „Zirkuspolka“ gewagt hat, versucht Glanert es mit seinem bizarren, explosiven Marschgerüst. Kuttel Daddeldu, der meistens betrunkene Seemann, jumpt hier an Land, stracks zum nächsten Rummel, der Rum läuft in Strömen, Seesack, Geldbeutel, Magen entleeren sich über die Notenlinien, die Tanzmusik rumpelt, Runden werden im Akkord geschmissen, und Ringel natzt mit. Die Musik darf rasen zwischen allem, was möglich ist, das unmöglich zu Spielende bewältigt die Mechanik spielend, wenn sie nur genügend Druck hinter sich hat, und Nancarrow trinkt fleißig auf Kuttel, denn alles ist Spaß im Leben, das Rondo dreht sich, was die Pfeifen hergeben, die Bässe trümmern, die Trommel knackt, Cluster meets C-Dur und allerhand anderes, die Pumpen sollen stöhnen, und billig soll es sein und schnell und prächtig.
© Thomas Tangler
Talking Music TalkM 1008