Bote & Bock
Meine 3. Klaviersonate entstand als Auftragswerk für einen Klavierwettbewerb, der 2011 vom Kulturkreis der deutschen Industrie ausgeschrieben wurde. Der Gewinner dieses Wettbewerbs, der junge brasilianische Pianist Fabio Martino, hat sie am 9.Oktober 2011 in der Essener Philharmonie uraufgeführt. Das Werk ist, wie meine 2.Sonate, einsätzig, aber mit einer Länge von rund 10 Minuten kleinformatiger als diese. Der pianistische Anspruch ist hingegen vergleichbar. Das gilt auch für die Form. Sie beruht wiederum nicht auf dem dualistischen Prinzip, das den klassischen Sonatenhauptsatz prägt, sondern auf dem Prinzip der "permanenten Durchführung". Nach einer ruhigen, frei gestalteten quasi "improvisatorischen" Einleitung etablieren sich am Beginn des Hauptteils (rasches Zeitmaß) in schnellen Pendelbewegungen von kleiner und großer Sekunde die ersten Elemente einer Klanggestalt. Diese besteht aus insgesamt 30 Tönen, unterteilt in 4 verschieden lange Tongruppen, aus denen sich im Wesentlichen die das Stück konstituierenden Akkorde ergeben. Auch in der Übersetzung der Klanggestalt in eine Zeitgestalt (Taktanordnung) ähnelt das Verfahren dem in der Partita angewandten. Der Hauptteil ist gegliedert in mehrere Abschnitte und durchläuft analog dazu unterschiedlichste Stadien des Ausdrucks. Aus dem Wechsel sowohl von spielerisch-virtuosen und lyrisch-verhaltenen Momenten als auch dramatischen Ausbrüchen und einer (zum Ende hin) exzessiven Steigerung erwächst eine Form, in der vielleicht etwas von jener "intensitätsreichsten Menschenwelt in der Musik" im Sinne Ernst Blochs zum Ausdruck kommt, um die es mir in meinem Schaffen vornehmlich zu tun war und ist.
Fabio Martino
OEHMS Classics OC 427