GOYA I – Yo lo vi
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Bote & Bock
Helmut Oehring, der als hörendes Kind gehörloser Eltern aufwuchs, hat sich in vielen seiner Werke mit dem Thema Taubstummheit befasst. In GOYA I stellt er zwei historische Figuren in den Mittelpunkt – den spanischen Maler Francisco de Goya und Ludwig van Beethoven, die beide in den 1790er Jahren ertaubten und dadurch immer größere Isolation erfuhren. Beide fühlten sich zunächst zu den Verkündern einer „freien“ Welt im Zuge der Französischen Revolution hingezogen, dann jedoch von Napoleon Bonaparte verraten, was in Goyas Kupferstich-Zyklus Desastres de la Guerra bzw. Beethovens Eroica äußerst ausdrucksvoll dargestellt wird. Beide waren Zeugen ihrer Zeit, wie es Goya in seinem Untertitel Yo lo vi („Ich sah es“) treffend zusammenfasst. In Oehrings Partitur werden zahlreiche Werke Beethovens zitiert, beispielsweise Wellingtons Sieg – das zehn Jahre nach der Eroica zur Feier des Siegs über Joseph Bonaparte entstand – und die Klavierkonzerte Nr. 3 und 5 sowie das Streichquartett op. 132.
"[Oehrings] Opus über Goyas Radierung Nr. 44 aus dem Zyklus ‘Die Schrecken des Krieges’ kommt ungemein irdisch und plastisch daher, wird trotz polyrhythmischer Strukturen von ostinaten Marschtempi dominiert und ist mehr als Klangkulisse für ein bedrückendes Szenario, in das hinein der Komponist kurz vor Schluss keck eine Trillerkadenz à la Chopin pflanzt, die die Vorzeichen von Schönheit und Hässlichkeit vollends nivelliert. ‘Goya I’ ist ebenso ein politisches wie ästhetisches Werk und eines obendrein, das, oh welche Freude, die künstlichen Schranken von E- und U-Musik ignoriert." (Alexander Dick, Badische Zeitung, 22.10.2007)
"Oehring überrascht hier durch ein Stück von auffallendem Wohlklang. Das Leid, das Goya zeigt, wirkt verinnerlicht, und wenn am Schluss in einem Zitat Beethoven zu Wort kommt, scheint ein Moment der Utopie angesprochen." (Peter Hagmann, NZZ, 24.10.2007)
"Oehrings Musik ist impulsiv und kraftvoll, viele Tempowechsel sorgen für einen unruhigen Klangfluss, eine diffuse, verschwommene Atmosphäre, die das ungewisse Schicksal der Menschen auf Goyas Bild bestens charakterisiert." (Jörn Florian Fuchs, Der Standard, 24.10.2007)
"... freche Montage, wo munter Beethoven mit unecht wirkenden Klängen und anderem Zusammengetragenen abgemischt werden. Die Musik spaziert vorbei, scheinbar ‘bloß so’, in Wirklichkeit zerkratzt von den Ereignissen, sei es zu Zeiten Goyas und Beethovens, sei es jetzt." (Reinhard Schulz, nmz 11/2007)

SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg / Rupert Huber (Donaueschinger Musiktage 2007, Vol.3)
NEOS 10826