Angel Fighter
(2009)2(I=picc,II=picc,afl).2(II=corA).2(I=Ebcl,II=bcl).2(II=dbn)-2.2.0.2btrbn.0-harp-strings(3.0.3.3.1)
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Boosey & Hawkes
"Angel Fighter reflektiert Jakobs Kampf mit dem Engel am Fluss Jabbok, eine ungeheuer kraftvolle Episode des Alten Testaments, deren musikalisches Potenzial gleichwohl bislang unentdeckt blieb. Birtwistle gießt den Text, den ihm Stephen Plaice in schlichte, prachtvoll plastische Sätze von Lutherscher Wucht gebracht hat, in eine siebenteilige Bogenform, eine dramatische Kantate, ein kompaktes Oratorium, das ganz auf die beiden Protagonisten zugeschnitten ist: Jakob, den Tenor, und den Counter-Engel. Der Chor sekundiert erklärend und entwickelt doch mitunter die unmittelbare Prägnanz der turbae in Bachs Passionen. Überhaupt lassen sich allüberall strukturelle Bezüge zu Bach ausmachen: Da singt der Engel eine Arie mit obligatem Englisch Horn zum Harfen-Continuo, flicht Birtwistle kostbare Kontrapunkte. Mit Stilzitaten indes hat das nichts zu tun, mit plakativem Gefleddere originalen Materials schon gar nicht. Vielmehr setzt Birtwistle nur gedanklich bei Bachs einschlägigen Werken an und schlägt den Bogen zu einer unmissverständlich neuen Musik. Zu unverkennbarem Birtwistle. Gestisch sind seine Klänge, die bei aller Blockhaftigkeit des Satzes doch zum durchkomponierten Ganzen verschmelzen, das theatralische Effekte in den Dienst einer Musik stellt, die den inneren Kampf mit Gott und Glauben nach außen kehrt: Gemessen schreitet die Erscheinung des Engels durchs Kirchenschiff, wird gegen Ende von der Ferntrompete dorthin zurückgerufen – eine geistliche Opernszene, die ihre Inszenierung gleich mitliefert und ansonsten Klänge handeln lässt. Eine Uraufführung Harrison Birtwistles verbürgt grundsätzlich Größe. Aber fürs Bachfest hat er ein Hauptwerk geschrieben, eines, das der Musica sacra eine neue Richtung weist, weil es nicht nur behauptet, Zukunft aus Tradition zu destillieren. Nicht nur das Werk ist bedeutend, auch seine Uraufführung ist es: Jeffrey Lloyd-Roberts verleiht dem verunsicherten Jakob menschliches Format. Durchsetzungsstark ist sein markanter Tenor, bei aller Kraft klangschön und wandelbar, von untadeliger Artikulation, sicherer Intonation, befähigt, die spröden Linien Birtwistles mit sinnlicher Logik zu tragfähigen Bögen zu formen. Seinen Widerpart übernimmt der Countertenor William Towers, eine Stimme von ätherischer Schönheit, die sich zunächst beinahe körperlos im Kirchenschiff ausbreitet, dann zunehmend konkret und autoritär klingt. Beide führen ihren Ringkampf um den Glauben vor dem Hintergrund des RIAS-Kammerchors aus Berlin, ein fabelhaftes Ensemble, das Birtwistle mit der Selbstverständlichkeit romantischer Chorsinfonik angeht und so berückende Schönheiten und monumentale Kraft entwickelt. Was uneingeschränkt auch für die Musiker der musikFabrik gilt: Birtwistle hat dem Ensemble eine orchestral gedachte Partitur auf den Leib geschrieben, mehr auf Mischung setzt die Instrumentation denn auf Spaltklang. Eine Haltung, die die üppige Akustik in der Thomaskirche noch stützt. Machtvoller, packender, sensibler, vielschichtiger als das, was Dirigent Stefan Asbury aus diesem Material macht, kann Neue Musik kaum klingen." (Peter Korfmacher, Leipziger Volkszeitung, 15.06.2010)
Andrew Watts/Jeffrey Lloyd-Roberts/BBC Singers/London Sinfonietta/David Atherton
NMC D211