1.picc.1.corA.1.bcl.1.dbn-2.2.1.1-timp.perc(3):crot/BD/tam-t/t.bells/susp.cym/glsp-strings
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Bote & Bock
Innerer Ausgangspunkt der Komposition ist die in den letzten 200 Jahren seltene Besetzung des Doppelkonzerts mit zwei gleichen Instrumenten, aus der die Grundidee der doppelten Wahrnehmung, der Rezeption auf zwei Ebenen resultiert, die für diese Komposition Glanerts die Grundlage bildet.
Äußerer Ausgangspunkt waren für ihn dabei die faszinierenden Fotos mehrerer Marssonden der NASA und die zunächst überraschende Erkenntnis, daß die Landschaftsnamen des Planeten Mars fast ausnahmslos lateinische Wortschöpfungen in Anlehnung an die klassische griechische und römische Mythologie sind.
Die allgemeine Unfähigkeit des Menschen, neuartige Phänomene auch mit neuen Begriffen zu versehen, wie schon Stanislaw Lem in seinem Roman „Solaris“ so faszinierend beschrieben hat, führt im Rahmen der künstlerischen Gestaltung zu einem Vexierspiel: das Neue ist das Alte, das Alte das Neue.
Das Soloinstruments, das in der Literatur überwiegend individualistisch, heroisch, oder doch zumindest als Hauptperson im Dialog mit dem Orchester eingesetzt wird, bekommt durch seine Verdoppelung etwas Abgründiges; das zweiseitige der Wahrnehmung spiegelt sich auch im Zwiefachen des Hörerlebnisses.
Die neun Teile des Doppelkonzerts, die nach Landschaften des Mars benannt sind, folgen ohne Unterbrechung aufeinander und bilden dabei Gruppen von drei mal drei Abschnitten; diese Dreiheit lehnt sich wiederum an die klassische Konzertform an. Gleichzeitig wird sie dadurch gebrochen, daß jeder „Satz“ im Grunde wiederum eine alte Konzertform (schnell, langsam, schnell) in sich ist – auch hier das Prinzip der doppelten Wahrnehmung.
Die musikalische Urzelle des Stücks ist ein einfacher Terzenlauf, der durch Permutation, Variation und Wucherung sämtliche Teile, Motive, Themen und Melodien des Stückes generiert; dabei kommt es zu hochkomplexen, aber auch tänzerischen und gesanglichen Episoden, die das Stück immer weiter vorwärts werfen. Ziel und Höhepunkt ist der „Elysium Mons“ benannte Schlußteil, der alle Variationen des Terzenlaufs im großen Fluß eines Hymnus’ gleichsam wieder in sich hineinsaugt, einem sich drehenden Sternennebel gleich.
© Thomas Tangler, 2008
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„Das Werk bot ein Maß an Phatasie und Heiterkeit, das in zeitgenössischer Musik schwer zu finden ist... Glanert weiß, wie heikel in der aktuellen Kunst die Komposition eines Doppelkonzertes ist. Er stellt zunächst seine instrumentalen Kräfte bewußt als Antagonisten in der Tradition des 19. Jahrhunderts auf und läßt zwischenzeitlich tonales Feuer aufscheinen. Im Verlauf des 28minütigen Stücks zersplittert das Zubehör der ‘alten Welt’ und Glanert rührt uns auf zu einer Reise ins All: zum Mars. Photos einer Nasa-Sonde inspirierten ihn, ebenson die Namen verschiedener Territorien des Roten Planeten, die auf die griechisch-römische Mythologie zurückgehen. Die Keimzelle ist eine kleine Skala auf- und abwärts laufender Terzen – für sich selbst genommen so gut wie nichts. Aber Glanert der Magier verwandelt es in ein pulsierendes Materieteilchen, das nicht aufhört, sich zu verwandeln und zu explodieren.“ (Geoff Brown, Times, 18.03.2008)
„Zwei energiegelandene Außenteile rahmen ein klagendes Herzstück mit einer Andeutung von Rachmaninoff. In den finalen Kadenz wird das virtuose Material dem einen, das nachdenkliche dem anderen Pianisten anvertraut und so das Werk beherrschende Dichotomie zusammengefaßt.“ (Rowena Smith, Guardian, 17.03.2008)