UNSICHTBAR LAND
(Invisible Land) (2004/05)3 deaf sign language artists; S,M,CT,T,BBar; speaker; chorus(12S.8A.10T.10B); solo elec.git; solo trp; solo bcl; 2(I,II=picc).0.1.bcl.tsax.0.dbn-3.3.3.1-perc(3)-tuned pft(=cel)-strings(4.2.0.6.6); baroque ensemble:2ob.1bn-theorbe-vla da gamba-cem(=org)-strings(2.2.1.1.1)-live electronics-2video beamer,3slide projector,sliding overtitle projection
Abbreviations (PDF)
Bote & Bock
Es geht wieder einmal
– wie immer und auch korrekterweise –
um Macht, Tod und Liebe
und um die Kämpfe des ururalten Ariel,
von dem niemand weiß – auch nicht William S. –, woher er kam,
um uns Menschen zu lehren,
mit der Macht, dem Tod und der Liebe umzugehen.
Und genau dies spielt sich auch im Orchester,
in den Gesangsstimmen, im Chor und den Soloinstrumenten ab,
sehr viel verborgener natürlich,
als fürs Auge oder den Verstand wahrnehmbar,
aber man sollte es fühlen können:
Wie das Orchester in der Nacht versinkt
und der Chor in schäumenden Sturmwellen ersäuft.
Die Sänger/innen zeitweise aus Angst vor dem Unsichtbaren
die Stimme verlieren und von den gehörlosen Luftgeistern Ariels Gebärden lernen.
Der Vater um seine Tochter bangt.
Und Ariel ist einfach nur müde und sehnt sich nach seinen fernen Sternen.
Gebärden könnte von Gebären kommen.
Die älteste Sprache der einen Seite dieser Welt,
die Mutter aller Sprachen,
zusammen auf einer Bühne, in einem Raum
mit der klingenden singenden Sprache der entgegengesetzten Seite dieser Welt.
Nur zum Beispiel:
»... Da war eine Architektur, die sich im Wasser spiegelt;
da waren Wellen, die sich bilden und wieder zusammenstürzen;
Zweige, die einschlafen;
Pflaumen, die herabfallen, sich zu Tode quälen und Gold bluten.
Aber das alles murmelte, stammelte,
hatte keine menschliche Stimme gefunden, um sich auszudrücken.
Tausend unbestimmte Wunder der Natur haben endlich ihren Übersetzer gefunden.«
(Jean Cocteau)
Jede Orchestergruppe und jedes Instrument des Barockensembles,
jede Gesangsstimme, jedes der 3 Soloinstrumente, jede Bewegung, jeder Laut,
jeder Klang des elektronischen Surround Sounds
ist eine Übersetzung des letzten Shakespeare-Werkes: Der Sturm.
Sie alle werden zu Personen auf der imaginären Bühne
hinter der, die wir sehen werden,
Bilder an Wänden und Worte aus Büchern,
die Klänge stemmen sich gegen das Verlieren und Vergessen
und leben doch vom und durch das VERGEHEN.
Sie müssen unbedingt unsichtbar werden, um die größte ihrer Wirkungen zu entfachen...
Das Verschmelzen von Gebärde und Klang,
das Verfließen vom Jetzt mit Vergangenheit
ist eine jener Berührungen, die nur in der Oper zu erleben sind.
Und kurz, nur einen AugenBlick, ganz kurz steht die Welt still,
und bevor jede/r wieder hinaus tritt,
hat vielleicht diese Berührung mit dem Unsichtbaren
eine Verwandlung oder »ihren Übersetzer gefunden«.
© Helmut Oehring, 2006