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Bote & Bock
Die Winter Songs entstanden aus der schieren Faszination eines ausgewanderten Australiers angesichts der ungewohnten Extreme eines Berliner Winters. Sie gehen bis auf 1994 zurück, als das Philharmonische Bläserquintett mich erstmals ansprach; verwirklicht wurden sie allerdings erst im Jahr 2000. Ich habe fünf Gedichte von E.E. Cummings ausgesucht, die alle um Bilder des Winters kreisen (alle aus seinem letzten, postum veröffentlichten Gedichtband, in dem er vielleicht auch dem "Winter" seines eigenen Lebens begegnet, wie z.B. in den unschuldigen Kindheitserinnerungen in Gedicht Nr. 52), und habe sie in drei Sätzen angeordnet, mit einer längeren instrumentalen einleitung. Dort werden viele wichtige Elemente eingeführt und auf ihre Möglichkeiten ‘untersucht’.
Die beiden ersten Gedichte (Nr. 16 und 17) sind gute Beispiele für Cummings’ außerordentlich originellen typografischen Stil, wo Worte in ihre Bestandteile zerlegt, oft über mehrere Zeilen in einzelne Buchstaben zerteilt werden, wobei zuweilen überraschende Neologismen und neue Assoziationen herauskommen. Der Sänger bekommt die Freiheit, sich in dieser dichterischen "Geographie" von Klängen hin- und herzubewegen. In Gedicht Nr. 16 zum Beispiel stellt Cummings das Wort "suburban" mit seinen Segmente "s", "ub", "sub", "sub", "urba" und "n" vor; der Tenor erhält gleichfalls die Möglichkeit, das Wort schrittweise hervorzubringen. Diese beiden Gedichte spiegeln die weniger angenehmen Seiten des Winters in der Stadt wider, wenn alles voller Matsch und Schlamm ist. Passagen mit schnellen, verwickelten Tonfolgen in der Vertonung des Gedichts Nr. 17 verstärken den verworrenen, chaotischen Eindruck, den die Worte hinterlassen, mit all dem "dreckigen Schneematsch".
Der Mittelsatz ist eine Vertonung des konventioneller aufgebauten Gedichts Nr. 36, in dem uns Cummings – bereits 1962 – eindringlich vor den Gefahren ökologischer Zerstörung warnt.
In den letzten beiden Abschnitten gibt es keine negativen Konnationen für den Winters mehr. Die Dunkelheit und Kälte ist einer Atmosphäre von Zeitlosigkeit und Offenheit gewichen, die eher etwas von Finnland als von New York City hat. Tatsächlich erinnert sie mich an einen besonders "goldenen" November in Berlin, nämlich 1989. In den Tagen, als die Mauer fiel und alle am Brandenburger Tor feierten, hatten wir schöne sonnige Tage mit einzigartig klarem Licht und frischer, klirrender Luft. Niemals zuvor hatte ich während eines November so viele Stunden im Freien verbracht. Der Winter, in all seinen Extremen, kündet von etwas Neuem und lässt Raum für starke und vielfältige Emotionen.
© Brett Dean, 2001
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Daniel Norman, tenor / Philharmonic Wind Quintet Berlin / Hermann Bäumer cond.
BIS 1332