Inferno
(2004)lightS,S,2A,CT,heldT,3T,charBar,Bar,BBar; mixed chorus; 2(I=rec,picc;II=afl,picc).2(II=corA).2(II=bcl).bcl.asax.tsax.2(II=dbn).dbn-4.3.2.1-timp.perc(3)-elec.git-theorbe-pft(=synth)-cel(=synth)-strings(10.8.6.5.4)-tape-live electronics; 4trbn and perc off-stage
Abbreviations (PDF)
Bote & Bock
Bei Inferno geht es um den Spiegel kollektiven Selbstbetruges im äußerlich als Korrumpierbarkeit verstandenen Verhalten des Künstlers, wobei das Verhältnis von Kommerz und Totalitarismus für mich eine zentrale Rolle spielt. Die menschliche Schwachheit des Dante, die ihn nicht widerstehen läßt, ist die Kehrseite seiner künstlerischen Integrität, der Distanz, und sie wird zugunsten einer gewaltträchtigen und eitlen Gemeinschaft ausgeschlachtet und im Sinne der Erpressung instrumentalisiert.
Der Begriff „schwarze Show“ charakterisiert das Werk wohl am besten, es ist ein Stück, das sehr viele tänzerische Elemente enthält und dessen drei „Kreise“ 10, 7 und 5 Teile (fast sollte man sagen Nummern) beinhalten, deren Eigenschaften wie in einem Strudel gegen Ende immer mehr zusammengedrängt werden, obwohl das Stück sich beruhigt und an Komplexität abnimmt. Elemente der Revue (Ragtime, Boogie), wenn auch in verzerrter Form, kommen genauso vor wie Parodien auf alte Musikformen: Hoquetus, Menuett etc. Die Form als Ganzes ist dabei auf dem Prinzip der Rotation, der Kreise, Spiralen und Strudel, Symbole des In-sich-Wiederkehrens, aufgebaut und bezieht sich damit eher auf Dantes Höllenkreise als auf das Prinzip der Gesänge und ihrer Zahlenproportionen, weil letztere aufgrund der Länge der Vorlage nicht übernommen werden konnten.
Das Libretto ist eine gekürzte Fassung des Originals, welches als Text nicht antastbar ist, lediglich als Ganzes für eine Oper schlichtweg zu lang wäre, eine Reduktion im Sinne auch inhaltlicher Konzentration daher erforderlich macht.
© Johannes Kalitzke
Peter Weiss (1916–1982) ist einer der wichtigsten deutschsprachigen Autoren der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mitte der sechziger Jahre plante Peter Weiss eine Trilogie in Anlehnung an Dantes Divina Commedia. Der dritte Teil der Trilogie, nach dem Paradiso-Teil der Divina Commedia, wurde unter dem Titel Die Ermittlung 1965 an 16 Theatern gleichzeitig uraufgeführt und hat die Protokolle des Frankfurter Auschwitzprozesses zur Grundlage. Inferno entstand 1964, es wurde erst 2003 aus dem Nachlaß veröffentlicht und bisher auch als Schauspiel nicht aufgeführt.
Peter Weiss setzt sich in Inferno mit dem Deutschland der Nachkriegszeit und mit seinem eigenen Schicksal in der Emigration auseinander, mit seinen Erfahrungen als Jude und deutschsprachiger Schriftsteller im Ausland. Johannes Kalitzke hat den Text von Peter Weiss gemeinsam mit dem Regisseur der Uraufführung, David Mouchtar-Samorai, für seine Oper gekürzt, den Wortlaut aber ansonsten nicht verändert. Hauptfiguren von Inferno sind, wie in der Divina Commedia, Dante selbst und der römische Dichter Vergil. Dante kehrt in das Land der Täter zurück, die ihn benutzen wollen, um sich von der eigenen Schuld reinzuwaschen. „Inferno ist das Deutschland von heute... die Mörder von damals an den Schaltwerken der modernen Wirtschaft Industrie Kultur“, formulierte Weiss 1964.
"Vermutlich das triftigste Musiktheater in jüngster Zeit."
Frankfurter Allgemeine Zeitung
"Eine Bereicherung des immer wieder totgesagten zeitgenössischen Musiktheaters."
Süddeutsche Zeitung