Konzert für Viola und Orchester
(2003-04/06)1.1.corA.1.bcl.1-1.1.1.1-perc(3):vibr/mar/6susp.cym/t.bells/3tam-t/BD/6gongs-harp-strings(not too many)
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Bote & Bock
Der Rundfunkchor Berlin bat mich 2002 um eine mehrchörige Komposition, und das Ergebnis unserer Zusammenarbeit führte zu meinen 12stimmigen Ostermotetten Et resurrexit, die im folgenden Jahr unter Simon Halsey zur Uraufführung kamen. Die besondere Atmosphäre dieser spirituellen Texte verband sich mit der Intention eines Konzertes für Viola und Orchester, das mich in dieser Zeit kompositorisch beschäftigte. Dabei ging es mir um ein Werk, das bestimmt sein sollte von einem vielschichtigen Spektrum klanglicher Bezüge. So wird die Viola konfrontiert mit 10 solistisch geführten Bläsern, Harfe, Schlagzeug und Streichern, bleibt aber selbst bis in exponierteste Gestaltungen hinein formbestimmend.
Einige Andeutungen zur formalen Idee:
Die ersten sechs Takte des Soloinstrumentes bilden einen melodisch-harmonischen Kern, aus dessen Tonmaterial in linearer Variation neue Skalen gewonnen werden, die in der weiteren Entwicklung das kompositorische Geschehen tragen.
Liegt die Intention des ersten Satzes in thematisch-motivischer Auffächerung, begründet der zweite – als Hauptstück – aus virtuosen Elementen den spezifischen Dialog zwischen Solisten und Orchester. Das Besondere der nächtlich österlichen Atmosphäre von Erwartung charakterisiert die musikalische Sprache des dritten Teiles.
Entscheidende formale Bedeutung kommt im übergeordneten Sinne vier kadenzartigen Episoden des Soloinstrumentes zu. Im Mittelpunkt des ersten Satzes führt das gewissermaßen freie Spiel zur Kulmination in einer verdichteten Reprise. Aus dem intonierenden Beginn des zweiten Satzes heraus kommen zunächst die rhythmisch-virtuosen Elemente in ihrem treibenden Charakter zur solistischen Darstellung, während die später variierte Wiederholung dieser Kadenz unmittelbar den Höhepunkt des Gesamtwerkes vorbereitet: Gesang – aus dem Initialthema des ersten Satzes entwickelt –, der in seiner Verdichtung alle Instrumente umgreift und von der Viola überhöht wird.
In hoher Lage, gleichsam schwebend, die Ränder des Klanggeschehens berührend, entwickelt die Viola zu Beginn des dritten Satzes ihre Linie bis in die vierte Kadenz hinein, die sich zum letzten Abschnitt hin öffnet. Im Zusammenspiel mit Solo-Violine und Solo-Cello beginnt tastend der Epilog, der die geheimnisvolle Sphäre im oben angedeuteten Sinne ins kraftvoll Bestimmte des vollen Orchesters erweitert, um endlich im bewegt solistischen Spiel der Viola den Hauptgedanken des ersten Satzes wie eine Erinnerung anklingen zu lassen.
© Frank Michael Beyer, im Mai 2004
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„Von Tabea Zimmermann aufs berückendste vorgetragen, ernst und grüblerisch bei allem virtuosen Viola-Elan... Sehr hörenswert.“ (Klaus Geitel, Berliner Morgenpost, 20.03.2007)
„Melos, Intervalle, Tonsymbolik: Beyers Konzert aktiviert einen reichen Schatz historischer Musikanschauung, statt seinen Titel illustrativ zu deuten. Es ist die Leistung dieses Komponisten, einen historisch gesättigten Musikbegriff für eine farblich, rhythmisch und harmonisch der Gegenwart verpflichtete Musik lebendig zu halten...“ (Peter Uehling, Berliner Zeitung, 20.03.2007)
„Der Komponist Frank Michael Beyer... beschenkt die Viola mit einem Konzert, das das Instrument als Klangachse mit Fühlern in alle Register des Orchesters fast pausenlos in den Mittelpunkt des Geschehens setzt.“ (Ulrich Pollmann, Der Tagesspiegel, 23.03.2007)
„Antoine Tamestit bringt Frank Michael Beyers Violakonzert in München zum Leuchten... Der Berliner Komponist, wichtiger Mentor der Jungen, hat noch einmal ein Stück von vollendeter instrumentaler Kraft des Tonsatzes und der Formkünste geschaffen. Und Solist Antoine Tamestit war phänomenal musikalisch, feurig und virtuos in der Lage, die subtilen Schönheiten des Werks zum Leuchten zu bringen. Was zählt, beim Komponisten wie beim Interpreten: die Persönlichkeit. Ovationen.“ (Wolfgang Schreiber, Süddeutsche Zeitung, 12.01.2009)