Meditation on the Bach Chorale 'Vor deinen Thron tret ich hiermit' BWV 668

„Dieses Stück für Cembalo und Streichquintett schrieb ich 1993 im Auftrage der Johann-Sebastian-Bach-Gesellschaft Bremen.
Meine meditativen Betrachtungen entstanden vor dem Hintergrund der tiefen Verehrung, die ich für die Musik Johann Sebastian Bachs empfinde.
Ich habe mich hierbei speziell von meinem persönlichen Erlebnis der inneren Zahlenverhältnisse im formalen Aufbau des Bachschen Choralvorspiels (BWV 668) leiten lassen: Die vier Durchführungsabschnitte, von denen jeder von einer Choralzeile beendet wird, sind die vier Stufen eines Weges, den die Musik gehen muss, bis der Choral vollständig erklingen kann. Dies ist auch der Aufstieg der Seele Bachs: „Vor deinen Thron tret ich hiermit“.
Überraschenderweise offenbaren sich hier nicht nur besondere Tonbeziehungen, sondern auch Zahlenverhältnisse. Dies ist wie das Sichtbare und das Unsichtbare einer Seele in Erwartung einer Begegnung mit Gott. Und hier verneige ich mich wahrhaft vor dem Genius Bachs, vor seinem virtuosen Gebrauch der Zahlenreihe, in deren Zentrum die Zahl 9 steht. Den Musikern, die sich mit der Zahlensymbolik in den Werken Johann Sebastian Bachs beschäftigen, ist die Schönheit und Bedeutung dieser Reihe und dieser Zahlensymmetrie für den Namen J.S. Bach bekannt:

-139, +88, -51, +37 -14, +23, +9. +32, +41, +73, +114, +187, +301

Besonders aufregend ist das Zahlenverhältnis 114 + 73 = 187, denn nach exakt 114 Viertelnoten erreicht das aus insgesamt 187 Vierteln bestehende Choralvorspiel seinen größten Tonumfang.
Die vorliegende Komposition ist meine Antwort auf die hier beschriebene Formidee und gleichzeitig meine ganz persönliche musikalische Fantasie über diese Zahlenreihe."
(Sofia Gubaidulina)