Bote & Bock
Das Stück entstand für das Duo Archaeopteryx für die Ausstellung Konvergenzen in der Berliner Festspielgalerie, ein Projekt ost- und westdeutscher Bildender Künstlerinnen in der Aufbruchphase kurz nach der Wende.
Es bezieht sich auf Arbeiten der Dresdnerin Angela Hampel, die in ihren Installationen immer wieder die symbolträchtigen Sicheln in ihrer Vieldeutigkeit verwendete. Sie zitierte in einem Text das alte Volkslied "Ich hört ein Sichlein rauschen", welches für die Komposition aufgegriffen wurde und den Assoziationsbogen zu zwei Gedichten René Chars, in denen die Sichel als Todessymbol auftaucht, schlägt. Die Komposition La faulx de l’été (Die Sichel des Sommers) wurde in einer Art Rausch innerhalb von vierzehn Tagen im Sommer 1991 nach dem ersten längeren Aufenthalt in Südfrankreich zu einem Künstlertreffen geschrieben. Es vereint in beiden Stimmen verschiedenste Holzklänge. Die zwei Partner wollen in einen Dialog treten und versuchen, den "Tonfall" des jeweils anderen zu finden – mit perkussiven Klängen auf den Blockflöten, mit zarten Tönen und Linien beim Schlagzeug. Sie hören einander zu, schreien, klagen, verstummen, enden gemeinsam in leisem Einverständnis, es geht um Abschied.
Ich bin in eine andere Zeit versetzt, fremde, nie gehörte Klänge dringen an mein Ohr. "Am Abend die Luft durchduftet mit weiser Untätigkeit", der unaufhörliche Wind, der die Sinne verwirrt und Töne in mir heraufbeschwört. Lass rauschen, Lieb, lass rauschen. Eine grosse, alles umfassende Traurigkeit breitet sich aus – und ist doch Ruhe und Schönheit, und Sehnsucht auch. "Traurig das Glück". Das Rufen verhallt ungehört im Wind. Und die Liebe? – "Erschöpft und verfolgt von der Sichel des Sommers."
Annette Schlünz
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