Bote & Bock
Vier Fantasien für Klavier – eine rein subjektive Beschreibung –
Der Titel Fantasie steht hier nicht für eine Improvisation oder eine in Musik erzählte Geschichte, sondern für ein atmosphärisches Bild, das der Fantasie des Komponisten – genauer gesagt: jeweils einem Traum – entstammt. Alle vier Stücke stehen in einem Zusammenhang.
Das erste, Im Schweigen, ist als Präludium zu den folgenden dreien zu verstehen. Im Schweigen, in der Stille bewegen sich unsere Gedanken freier und klarer, bestimmte Klänge kündigen sich an, noch unklar; aber alles bleibt still und hat Zeit.
"Marmormeer": Weite, Freiraum, sanftes, immerwährendes Heben und Senken; alles ist klar und kühl, die hallige Stille der Basiliken liegt hier begraben, dazwischen harte, kantige Splitter, Bröckelndes, Zerfallendes, der linke Arm einer Venus, Jupiter... Das Licht fängt sich auf den immer noch glänzenden Flächen, es ist Winter, manchmal schmerzt es in den Augen. Die Bewegung ist langsam und groß, nicht von uns verursacht; sie bleibt allein, und wir wissen, sie wird weitergehen, wenn wir uns abgewendet haben.
"Auf Reisen" uns befindend, sehen wir Bilder, Land- und Stadtschaften vorübereilen, fast panoptikumartig und sehr eilig, lustig. Geschwindigkeit berauscht, der Blutdruck steigt, auch die Sensiblität, Vorfreude komprimiert – ein Anblick fängt uns. Ein Augenblick vergrößert sich ins Unendliche, prägt sich ein, bleibt, auch wenn die Bilder weiter wechseln, und gehört jetzt uns. Die Reise wird weiter gehen.
Im "Abendland", da wohnen wir, es ist immer da, wo die Sonne untergeht und unser Gefühl für die wieder einmal vergangene Zeit plötzlich vorhanden ist. Die schmerzhafte Sucht nach vergangener Schönheit und schöner Vergangenheit ist wieder da, ist man krank, wenn man dies mag?, ärgerliche Sentimentalitäten, Europa ist doch rührend, laßt uns singen "Un bel di, vedremo" – eben doch geliebt. Heimlich. Und die Gegenwart? Die Zukunft? – Morgen.
Thomas Tangler
"Die Stücke sind farbig angelegt – der Komponist kostete viele dynamische Schattierungen und Pedalwirkungen aus. Der Klaviersatz ist brillant – der Spieler hat Schwierigkeiten wie rasantes Laufwerk, Doppelgriffe und Trillerketten zu bewältigen. Glanert ist mit diesem Werk mehr als nur eine Talentprobe geglückt – ein Werk, das geboten sein läßt den Weg des jungen Komponisten aufmerksam zu verfolgen." (Peter Roggenkamp, Neue Musikzeitung, Okt./Nov. 1989)
Alan Marks, piano
WER 6522-2