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Scoring

2(I,II=picc).2(II=corA).2(II=bcl).2(II=dbn)-2.2.1.1-timp.perc(3):crot/glsp/3anvils(in Db/Eb/Bb)/t.bells/marimba/3gongs(in G#/A#/C)/ltgl(lg)/susp.cym(sm,lg)/sizzle cym/cym/hi-hat/3lg cowbells of different sizes/6lg thundersheets of different sizes/tam-t(sm,lg)/whip/TD/6tom-t of different sizes/BD-harp-pft(=cel)-strings(min.12.10.8.6.4)

Abbreviations (PDF)

Publisher

B&B

Territory
This work is available from Boosey & Hawkes in der ganzen Welt.

Availability

Uraufführung
25/08/1996
Royal Albert Hall, London
BBC Scottish Symphony Orchestra / Osmo Vänskä
Programme Note

Detlev Glanerts Sinfonie Nr.3 unterscheidet sich von ihren Vorgängerinnen, der Sinfonie Nr.1 von 1984 und den 1988–1990 entstandenen „Carmen“-Gesängen (Sinfonie Nr.2) auf Texte von Wolf Wondratschek, zunächst durch eine erhebliche Reduzierung der klanglichen Mittel. Dem nahezu klassischen Zuschnitt des kleinen Orchesters entspricht darüber hinaus eine übersichtliche fünfsätzige Form – im Gegensatz zur integrativen Formgestaltung der beiden ersten Sinfonien, in denen die traditionellen Satzcharaktere in eine durchlaufende Großform eingebettet sind. Insofern bestätigt die Sinfonie Nr.3 eine stilistische Entwicklung in Glanerts Schaffen, das in den neueren Werken wie den beiden Kammersonaten oder dem Klavierkonzert eine deutliche Tendenz zu formaler Klarheit und Präzision des Ausdrucks aufweist. In der Einbeziehung von tänzerischen Elementen und Topoi der Alltags- und Gebrauchsmusik zeigt sich zudem Glanerts wachsendes Interesse an rhythmischen Strukturen, am Puls einer Musik, die sich den teilweise immer noch herrschenden avantgardistischen Tabus selbstbewußt entzieht.

Doch handelt es sich hierbei keinesfalls um eine klassizistische Wende in Glanerts Musik. Glanert geht es nicht um die bloße Erfüllung traditioneller Strukturmuster, wie denn überhaupt sein Verhältnis zur Tradition alles andere als affirmativ ist. Das Ziel seiner kompositorischen Arbeit ist vielmehr das Aufbrechen von Verkrustungen, die sich um die Traditionen gelegt haben – auch das Aufbrechen neuer Dogmen, die Erstarrung produzieren, bevor überhaupt etwas entstehen kann, das als Tradition bezeichnet werden könnte. Dies geschieht durch ungewöhnliche Perspektiven, unter denen das Vergangene betrachtet wird, und die daraus entstehende Fremdheit des Vertrauten verleiht den Resten der Vergangenheit eine neue Aura.

Es mag zunächst befremdlich erscheinen, daß Glanert den einzelnen Sätzen seiner Sinfonie Nr.3 Überschriften gibt, die in ihrer Bildhaftigkeit einen Widerspruch zur Abstraktheit der Gattungsbezeichnung darzustellen scheinen, Bildhafte oder gefühlsmäßige Assoziationen sind jedoch immer bei Glanert der Ausgangspunkt der Komposition. Andererseits wäre es falsch, die so entstehenden Werke als eine Art von Programmusik aufzufassen. Die außermusikalischen Vorstellungen sind der Impuls, nicht die „Erklärung“ für die musikalischen Strukturen, in denen sie sich vollständig auflösen. Form ist für Glanert kein abstraktes Gefäß für Töne, sondern in ihr realisiert sich eine bestimmte Assoziationsweise oder eine bestimmte Art, Gedanken, Eindrücke und Reflexionen miteinander in Beziehung zu setzen – mit anderen Worten, ein spezieller Sprachgestus, der selbst schon Mitteilung ist. Für die Bezeichnung der Musik kann daher ebenso gut eine Kategorie der traditionellen Formenlehre dienen wie ein unkonventioneller und programmatisch anmutender Titel. Letzteres wäre nur eine Erweiterung, aber kein Gegensatz. Und so wie die sprachliche Äußerung von non-verbalen Mitteilungen jenseits der Grammatik begleitet wird, so führt auch Glanerts Musik den Hörer über ihre musikalischen Strukturen hinaus, ohne ihm die Freiheit zu nehmen, individuelle Bilder zu formen oder sich nur den klanglichen Ereignissen hinzugeben.

Wie alle Werke Glanerts besitzt auch die Sinfonie Nr.3 eine virtuelle theatralische Dimension als eine Art fünfaktiges Drama. In diesem Falle sind es die Dichtungen Shakespeares in ihrer Mischung aus Düsternis und derber Komik, die den atmosphärischen Hintergrund des Werkes bilden. Schon der Titel des ersten Satzes verweist mit dem Ortsnamen Dunsinane auf die Welt des „Macbeth“, dessen morbide Verfilmung durch Roman Polanski eine große Faszination auf den Komponisten ausgeübt hat. Der Satz ist eine freie Phantasie über eine herbe Landschaft und verbreitet mit seinen vierteltönig getrübten, allmählich bewegten Klängen eine stille, nebelhafte Stimmung. Als umgekehrtes Naturbild möchte Glanert den Satz verstanden wissen: nicht als Landschaftsbetrachtung des Menschen, sondern als Betrachtung des Menschen durch die Landschaft.

Mit dem zweiten Satz, einem schnellen Scherzo mit elf Variationen, dem ein Ostinato zugrunde liegt, verläßt die Sinfonie ihren quasi naturhaften Zustand und findet zu einer individuelleren Charakteristik. Doch wie ein Spuk verschwindet die Erscheinung wieder. Als Adagiostudie über einem unendlichen Melodieband, das wechselnde Beleuchtung erfährt, verengt der dritte Satz die Perspektive auf eine „Nahaufnahme“. Beherrschend ist nun der einzelne menschliche Blick, der Raum des Individuums, der sich im anschließenden „Trinklied“ zum gesellschaftlichen Raum öffnet – einem Raum der grenzenlosen Ausgelassenheit, aber auch der Brutalität. Nach der katastrophischen Entwicklung bleibt nur noch der Ausbruch in die Weite und Ruhe des ohne Unterbrechung anschließenden letzten Satzes, dessen Titel „Verkommener Himmel“ allerdings darauf hindeutet, dass es sich nun um eine Beschädigung der Natur handelt. Wie viele Stücke Glanerts endet auch dieses Werk mit dem Blick auf eine zerbrochene, aber auch herrlich unreglementierte Welt, in der alles wieder offen ist.

Klaus Angermann, Juni 1996

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