Serenade "Von der Ratte, vom Biber und vom Bären"
(About the Rat, the Beaver and the Bear) op. 84 (1988)Bote & Bock
Mit seiner Serenade "Von der Ratte, vom Biber und vom Bären" erfüllte Gottfried von Einem den Auftrag, ein eingängiges Stück für einen festlich erfreulichen Anlass zu schreiben. Das Stück hat fast durchgehend heiteren Charakter, voll gutmutiger Selbstironie (3. Satz) und "nicht ohne verbrecherische Einsichten" (1 . Satz). Aus den biographischen Bezügen machte er kein Geheimnis, zumindest für die Kenner seine Lebens und Werks – sie ist ein Freundschaftszeugnis seiner letzten zehn Lebensjahre.
"Bär" nannte er sich selbst gern. Die Anekdote besagt, er habe als Kleinkind einem Zirkusbären zugejubelt: "Brüderchen, Brüderchen!" Manche Züge seines Wesens kann man durchaus mit einem Bären assoziieren, natürlich nicht mit einem Teddy, sondern eher mit dem nicht ungefährlichen, in der Tierwelt dominanten Grizzly. Lotte Ingrisch, von Einems zweiten Ehefrau, liebte diese Anrede mit lustigen Varianten.
"Ratte" war eine von Gottfrieds liebevollen Titulierungen für Lotte. Ob er dabei an ihre Klugheit, an die Beweglichkeit, an den possierlichen Charme dachte, kann man nur vermuten. Man erinnert sich vielleicht an die Mode, dass vor allem weiße Ratten gern von jungen Frauen wie ein Schal auf der Schulter getragen wurden. Ich nannte Lotte Ingrisch und nenne sie immer noch die "Rättin" – "Ratte" war Gottfried vorbehalten.
Ich selbst wurde als "Biber" in den Kreis der Tiere einbezogen, als ich den Komponisten zu einer intimen Feier seines 70. Geburtstages in seinem Haus in Rindlberg besuchte – dabei bestellte ich die Serenade zur Uraufführung beim Jubiläumskonzert des Verlages Bote & Bock, den ich von 1963 bis 1994 leitete. Als die Freunde den Namen "Biber" vorschlugen, war ich sofort einverstanden, da ich Tiere recht gern habe. Gottfried und Lotte bezogen Tiere freilich noch stärker als ich in ihr Leben ein, sowohl ihre bis zu neun Katzen als auch die 'wilden' Tiere der ländlichen Umgebung ihres Hauses im Oberösterreichischen Waldviertel.
Harald Kunz
Titelillustration von Arnulf Neuwirth für die Originalausgabe
(Harald Kunz: "Weshalb ich als Biber ein Monokel trage, ist nicht ganz klar. Ich vermute. Gottfried, als Auftraggeber der Dreierszene, meinte damit meine gewisse, vermeintlich einseitige Fixierung auf meinen Komponistenfreund Isang Yun, den Exklusiv-Autor des Verlags Bote & Bock.")
Die Serenade entstand im Auftrag des Scharoun-Ensembles Berlin
aus Anlass der 150-Jahr-Feier des Musikverlages Bote & Bock 1988.
Die Satzbezeichnungen lauten:
I Von der Ratte – Andante, nicht ohne verbrecherische Einsichten
II Vom Biber – Allegro, capriziös, mit zarter Wehmut [Für Harald Kunz]
III Vom Bären – Animato, mit leicht plebejischem Humor