Corsa

„Nach Beendigung meines Studiums lebte ich im Jahr 2001 für mehrere Monate in Rom. In dieser Zeit habe ich neben einer tiefen Liebe zu dieser Stadt auch eine Affinität für die Musik Arcangelo Corellis (1653–1713) entwickelt: eine ausgewogene, prächtige und lebensvolle Musik, die den besonderen Geist Roms um 1700 für mich in idealer Weise repräsentiert.

Als mich die Barocktage Melk 2021 fragten, eine Art modernes Concerto grosso für den Concentus Musicus Wien zu komponieren, sagte ich daher sofort zu. Es interessierte mich, das Schema eines barocken Ritornellkonzertsatzes (Ritornell – Episode – Ritornell – Episode usw.) sowie die klangliche Gegenüberstellung und Verschmelzung eines Trios (ywei Violinen und Cembalo) mit und gegen ein chorisch besetztes Streichorchester zu aktualisieren.

Das Wesen eines barocken Ritornells besteht darin, dass aus einem Pool an musikalischen Ideen freie Kombinationen stattfinden, also Reihenfolge, Tonalität und Ausdehnung veränderlich bleiben. Z.B. kann aus der Folge A,B,C,D beim nächsten Auftreten werden: erweitertes C, B, transponiertes A, verkürztes D usw.
Diese hohe Flexibilität der Form bei gleichzeitiger Geschlossenheit des musikalischen Materials fasziniert mich.

In Corsa (italienisch „Lauf, Rennen“) wechseln sich 6 Ritornelli mit 5 geringstimmigeren Episoden ab: dort übernehmen die beiden Solo-Violinen und das Cembalo stark dialogisierend solistische Aufgaben. An zwei besonderen Stellen (die den Stückverlauf in sehr klaren Proportionen gliedern) taucht eine ‚freie Stimme‘ (voce libera) auf, die melodische Ruhepole in das quirlige Getriebe des Stücks setzt.“
Gerald Resch