1.1.1.0-0.0.0.0-perc-hp-zheng-str (1.1.1.1.1)
Abbreviations (PDF)
Sikorski
„Ich habe einen alten chinesischen Text genommen und aus musikalischen Gründen verändert und rekombiniert. Der Text ist in meinem Stück weder wörtlich wiederzuerkennen noch in seiner Bedeutung wichtig. Die Aussprache dieses neuen Textes ist wiederum verändert gemäß der Peking-Oper, deren Ausspracheregeln (yün-bai) nach ästhetischen Gesichtspunkten festgelegt worden sind. Sie unterscheidet sich von der heute üblichen. Zum Beispiel wird so aus ‚Ban‘ ein ‚buan“, aus ein ‚nei‘ ein ‚nuei‘, und im langsamen Tempo wird ‚Bu --- o --- a --- n“, „nu --- ä --- i‘. Diese neu entstandenen Laute und deren feine Veränderungen spielen musikalisch eine große Rolle.
Die Rekombination des Textes schafft ein Imaginationsfeld. Zumindest für einen chinesischen Hörer hätten der neu entstandene Text und die einzelnen neuen Wörter assoziative Bedeutungen und lassen so vor seinem Ohr unterschiedliche Bedeutungsmöglichkeiten eines Wortes entstehen und eine Brücke zwischen den Wörtern schlagen, um einen Sinn für sich zu schaffen. So verbindet sich mit dem Titelwort „yün" ein Assoziationsfeld aus:
Reim, Wohlklang, schöne Töne, Charme, Anmut
Wenn ich "yün" verbinde mit "wei", (schnell ausgesprochen "wai"), dann entsteht die Bedeutung "nachhaltiger Effekt, andauernder Reiz".
Der Rhythmus ist metrisch nicht gebunden. Er ist abgeleitet aus Sprachphänomenen. Genauso ist das Feld Harmonik / Melodik / Klangfarbe aus der Sprache entwickelt. Deren mikrotonale und mikrorhythmische Feinstruktur wird in Musik gezeichnet. Das ganze Stück bezieht sich auf die einzige sprachliche Hauptlinie, mitunter sehr eng, mitunter aber auch von ihr fortstrebend.
Neben der Sängerin und europäischen Instrumenten verwende ich die Zheng, eine Wölbbrettzither. Sie besitzt einen großen Resonanzkasten aus Holz, auf dem über Einzelstege in Form fliegender Wildgänse die 21 Saiten verlaufen. Das Instrument wird im allgemeinen pentatonisch gestimmt und hat einen Tonumfang mit vier Oktaven. Mit der rechten Hand werden die Saiten gezupft, deren nicht gezupfter Teil wird mit der linken Hand niedergedrückt. So bleibt die Saite freischwingend und es ist möglich, eine Vielzahl von persönlichen emotionalen Haltungen und inneren meditativen Einstellungen auszudrücken, und die Tonhöhe durch Vibrati, Glissandi bis auf Nuancen im Mikrotonbereich zu gestalten.
Für diese Komposition habe ich eine Skala spezifisch für Zheng gestimmt. Sie hat verschiedenartige, nicht temperierte Intervalle, deren Folge sich erst nach zwei Oktaven wiederholt. Nur D taucht in allen Oktaven gleich auf. Wenn ein temperierter Halbton mit 100 Cent bestimmt wird, so sind meine Intervallgrößen von tief zu hoch (zusammen 2400 Cent = 2 Oktaven) 150, 177, 323, 250, 250, 200, 200, 250, 250, 350. Diese Skala kann durch Flageolett oktaviert werden und ergibt dann ein mikrotonales Geflecht mit der Ausgangsskala." (Xiaoyong Chen)