3(=picc,afl).3(=corA).4(=bcl,asax).3(=dbn)-4.3.3.1-timp-perc(4):tgl/tple.b/BD/cyms/tam-t/t.bells/glsp/xyl/crystal glasses/vib/musical saw-hp(2)-theremin-cel-hpd-pft-org-str(16.14.12.10.8)
Abbreviations (PDF)
Sikorski
The American Youth Symphony bat mich, anlässlich ihres vierzigjährigen Bestehens ein Orchesterwerk für ihre Jubiläumssaison 2004/05 zu schreiben. Als Einleitungsstück für ein Konzertprogramm sollte es im Dorothy Chandler Pavilion in Los Angeles uraufgeführt und gleich danach auch in der New Yorker Carnegie Hall gespielt werden. Zunächst beabsichtigte ich, ein völlig anderes Werk mit dem Titel „An Overture for an Unforeseeable Future“ (Ouvertüre zu einer unvorhersehbaren Zukunft) zu schreiben, doch dann ereignete sich die Katastrophe des 26. Dezembers 2004. Dabei war Brigitte Feldtmann, eine Freundin von mir, in den Malediven wie durch ein Wunder der tödlichen Welle entkommen. Orlantha Ambrose jedoch, eine Instrumentallehrerin der American Youth Symphony, überlebte nicht. An jenem Tag forderte die See mehr als 200.000 Menschenleben. In der Tat hatte sich die Zukunft als unvorhersehbar erwiesen.
Die Macht und Rätselhaftigkeit des Ozeans waren mir in den letzten sechs Monaten ständig gegenwärtig, als ich an meinem neuen Ballett „Die kleine Meerjungfrau“ arbeitete, welches das Kgl. Dänische Ballett zur Eröffnung des neuen Kopenhagener Opernhauses und anlässlich des Hans-Christian-Andersen-Jubliäums bei mir in Auftrag gegeben hatte. Meine Meeresfaszination jedoch hatte viel früher begonnen. Der Ozean mit seinen magnetischen Erschaffungs- und Zerstörungskräften, unendlichen Geheimnissen, seiner unvorstellbaren Schönheit, unergründlichen Dunkelheit und seinen faszinierenden Farben, mit seiner Weite und seinen Kreaturen – all dies hat mich seit frühester Kindheit in meinen Träumen beschäftigt.
Als ich klein war, kannte ich die antiken griechischen Sagen auswendig, besonders die Argonautensage. In gewisser Weise lebte ich in einer doppelten Realität, und ein Teil von mir fuhr an Bord der Argo über die Meere. Poseidon war in meinem Leben täglich präsent (und zuweilen als Bedrohung). Er war real. Meerjungfrauen, halb Fisch, halb Mensch, waren als Chimären ebenfalls real. Und sie sind es immer noch. In ihnen verschwimmt die Grenze zwischen Zerstörung und Erschaffung – wie die Grenze, die Tod und Leben trennt.
Vielleicht ergab sich diese Meeresfaszination bei mir dadurch, dass ich in Tscheljabinsk lebte, einer russischen Industrie- und Provinzstadt, die von allen Meeren sehr weit entfernt ist. (Tatsächlich hatte ich noch nie einen Ozean gesehen, bis ich im Alter von 17 Jahren nach New York kam.) Die imaginäre See dieser Erzählungen und Mythen symbolisierte eine andere Welt: schön, geheimnisvoll und mächtig, zuweilen sehr grausam, jedoch weitaus farbenfroher als die Welt um mich herum.
In meinen ersten Klavierimprovisationen im Alter von 3-4 Jahren, versuchte ich immer wieder, eine Geschichte in Tönen zu malen, die von der See und von weißen Segelschiffen handelte (eine Variation eines berühmten Gedichts von Lermontow): Es gibt einen Sturm, das Schiff sinkt, doch bald zeigt sich das Meer wieder so, als ob nichts geschehen wäre. Dies waren meine ersten „Kompositionen“. Vielleicht bin ich in gewisser Weise noch dasselbe Kind wie damals, unfähig, aus der Traumwelt meiner Märchen zu erwachen, die sich nur allzu oft im realen Leben widerspiegeln. Vielleicht schreibe ich im Grunde immer noch dasselbe Stück.
(Lera Auerbach im Februar 2005, Übersetzung: Hans-Ulrich Duffek)