Sikorski
„Im Jahre 1991, sechs Monate vor dem Zusammenbruch der Sowjetunion, entschloss ich mich mit 17 Jahren während einer Gastspielreise durch Amerika, im Westen zu bleiben. Das darauffolgende Jahr, in dem die ersten beiden Sätze dieses Trios entstanden, war vielleicht das schwierigste in meinem Leben. Ich war ganz auf mich allein gestellt und wusste nicht, ob ich jemals meine Familie wiedersehen würde. Viele meiner Werke aus jener Zeit – wie dieses Klaviertrio – wurden erst Jahre später vollendet. So schrieb ich den letzten Triosatz (Presto) erst 1996, also vier Jahre nach den beiden ersten.
Der erste Satz (Prélude) ist mit misterioso bezeichnet. Die melodische Linie ist kantig, der Rhythmus gleichmäßig, immer wieder von Akzenten und Synkopen unterbrochen, und der musikalische Satz im Wesentlichen polyphon. Das darauffolgende Andante ist das emotionale Zentrum des Werkes. Es ist ein lyrischer und gleichzeitig tragischer Dialog zwischen Violine und Violoncello, grundiert vom harmonischen Pedal des Klaviers. Die gesamte Struktur dieses Trios ist wie ein großes Crescendo, in Richtung auf das Ende hin angelegt. Crescendo ist hier nicht im dynamischen Sinn zu verstehen, sondern eher wie eine Schwerkraftbildung des Materials: So ist der erste Satz ein kurzes Scherzo, der zweite ein emotional aufgeladenes Andante und der dritte (Presto) eine Toccata, die an ihrem Höhepunkt ins parallele C-Dur moduliert. Dieser letzte Satz erfordert von allen Spielern große Virtuosität. Das Tonmaterial hat über weite Strecken eine obsessive Qualität, während der mittlere Abschnitt im Gegensatz dazu totenstill wirkt. Die Hauptthemen des ersten und des zweiten Satzes sind in die Toccata eingearbeitet. Im Höhepunkt des dritten Satzes vereinigen sich alle wesentlichen Themen des Trios.“
Lera Auerbach (Übersetzung: Hans-Ulrich Duffek)
Trio Zimbalist
Curtis Studio / Platoon PLAT21970