Bote & Bock
Als Komponistin betrachte ich Sprache und Performanz als gleichberechtigte Ausdrucksmittel neben dem „reinen“ Musizieren. Wohl deswegen hat mich die immanente Sprachlichkeit von Schuberts Streichquartett „Der Tod und das Mädchen“, das ja auf dem gleichnamigen Lied basiert, schon immer fasziniert. Der Titel „Sei gutes Muts“ ist ein Zitat aus dem von Schubert vertonten Gedicht von Matthias Claudius. Den Streicher_innen wird nur der Text des Todes zugeordnet, der fragmentarisch und modifiziert in präziser Rhythmik gesprochen wird. Im Verlauf des Stückes kommen weitere kurze Texte hinzu, die die freundlich-liebliche Todesstimme des Gedichts inhaltlich konterkarieren. Die Blockflöte reagiert auf die Textfragmente mit individuellen musikalischen Haltungen in erweiterter Spieltechnik (Überblasen, Zungenfrullato, Luftgeräusche etc.). Sie separiert sich jedoch nicht, sondern geht in einer gemeinsamen Klanglichkeit auf. Das Stück ‚hängt’ im letzten Drittel sprachlich und musikalisch ‚fest’ in einem Dominantseptakkord, bevor es in die rein klangliche Coda geht. Ist der Tod nur ein Bild?
Iris ter Schiphorst, 2021
Maurice Steger, recorder / Kuss Quartett
Rubicon classics RCD1104