2S; 3.3.3.3-4.3.3.1-timp.perc(4)-harp-pft-hpd(ampl)-strings(min.12.10.8.8.6)
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Bote & Bock
In der Realität sind sich Mary Stuart, Königin der Schotten, und Elizabeth Tudor, Königin von England, nie begegnet. Nur auf der Bühne und auf der Leinwand kommt es zu dramatischen Auseinandersetzungen zwischen diesen beiden Cousinen und rivalisierenden Herrscherinnen – sei es in Friedrich Schillers Theaterstück von 1800, Donizettis späterer Opernvertonung von 1838 oder in einer der zahlreichen Film- und Fernsehadaptionen. Verständlicherweise, lässt sich doch eine enorme Klimax voller Spannung und Erwartung erzeugen.
In dieser dramatischen „Szene“ streben Brett Dean und Matthew Jocelyn in gewisser Weise eine historische Authentizität durch einen Text an, der beiden Königinnen die Möglichkeit gibt, ihre eigene Version der Ereignisse zu erzählen. Dabei werden die Originalworte der königlichen Akteurinnen verwendet und aus unzähligen Briefen, Dokumenten und Reden zusammengestellt.
Der Liederzyklus In spe contra spem für zwei Soprane und Orchester ist ein konzertanter Auszug aus einer geplanten Oper, eine Schlüsselszene, in der es tatsächlich zu einer Konfrontation zwischen Mary und Elizabeth kommt, wenn auch nicht unbedingt im selben Raum. Sie wird in Form von kontrastierenden und konkurrierenden Blickwinkeln dargestellt, die sich zunächst abwechseln und später immer mehr miteinander verwoben werden. Die Verschmelzung der beiden Sopranstimmen mit dem Orchester offenbart nicht nur Punkte vehementer Ablehnung und Verleugnung, sondern auch Aspekte der Anteilnahme und des Tröstens.
Für Elizabeth wird die belastende Entscheidung, ob sie Marys Todesurteil unterschreiben soll oder nicht, durch viel Händeringen, Verzweiflung und tief empfundene "Wenn nur"-Hypothesen dargestellt. Bei Mary wächst trotz des Leids und der Demütigung durch ihre lange Gefangenschaft die Akzeptanz des Todes, begleitet von dem Trost, den sie in ihrem Glauben an die unendliche Liebe Christi findet.
Brett Dean & Matthew Jocelyn, 2022