Konzert für Viola und Orchester
(Viola Concerto) (2016-2017)2(II=picc)2(II=corA).2(II=bcl).2(II=dbn)-4.3.3.1-timp.perc(3-4):crot/xylorimba/vib/t.bells/gongs/sleigh bells/tamb/tpl.bl/tom-t/BD/cyms/tam-t-harp-pft-strings(10-12.10-12.8.8.6)
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Bote & Bock
Das Werk besteht aus drei Sätzen. Alle drei Sätze beruhen auf einer einzigen „Klanggestalt", die aus einer „Urzelle" von kleiner und großer Sekunde hervorgeht und sich zu einem 30-tönigen melodisch-harmonischen Gebilde entfaltet das zwar nicht nach Kriterien traditioneller Tonalität, aber durchaus nach Gesichtspunkten musikalischer Logik entwickelt wurde.
Diese Klanggestalt erklingt meist nicht vollständig, stattdessen werden häufig Teile von ihr abgespalten,sequenziert, variiert, umspielt etc. Dieses Gestaltungsprinzip kann man als „permanente Durchführung" eines im weitesten Sinne themenartigen Gebildes bezeichnen. Mit anderen Worten: Diese Klanggestalt und deren Äquivalente in anderen Werken von mir sind keine starren, sondern flexible Gebilde, bei denen es im kompositorischen Umgang mit ihnen darum geht, starre Mechanismen zu vermeiden, sie stattdessen immer wieder strukturell und ausdrucksmäßig neu zu beleuchten und zu konfigurieren.
Um dieses Moment des kontrastreichen Perspektivenwechsels schon rein äußerlich zum Ausdruck zu bringen, habe ich die klassische dreisätzige Konzertform mit der ihr inhärenten Unterschiedlichkeit der Satzcharaktere gewählt.
Dabei mag der 1. Satz in mancher Hinsicht an einen Sonatenhauptsatz erinnern insofern, als er mitunter von starken Gegensätzen und Zuspitzungen gekennzeichnet ist. Außerdem weist die 2. Hälfte des Satzes durchaus reprisenartige Züge auf. Eine kleine Kadenz, in deren Verlauf die Solo-Viola in einen Dialog mit einer Solo-Klarinette tritt, fehlt im übrigen nicht.
Den 2.Satz eröffnet die Viola allein mit einer melancholischen Melodie, zu der ich durch das berühmte Gedicht „Chanson d'automne" (Les sanglots longs des violons de l’automne...) von Paul Verlaine inspiriert wurde. Dieser Satz ist dem Andenken an Pierre Boulez gewidmet.
Die 9-taktige Melodie, die aus dem ersten Segment der Klanggestalt herauswächst, bildet das Fundament für eine Chaconne, also eine formal klar gegliederte Variationskette, gegen deren Ende der Solo-Viola ein Höchstmaß an Virtuosität abverlangt wird.
Der 3. Satz sieht ein durchweg äußerst lebhaftes Tempo vor und entfaltet sich in Anlehnung an eine Rondoform. Dabei kommt es allerdings nie zu einfachen Wiederholungen, sondern das aus der Klanggestalt abgeleitete Kopfmotiv wird bei jedem Wiederauftreten anders weitergeführt, sozusagen auf einen neuen Weg gebracht. In dieser Polarität von Identität und Nicht-Identität liegt ein Spannungsmoment, das von jeher für mich wichtig war und ist.
York Höller — Köln, im Februar 2017