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Scoring

2(II=picc).2.2.2(II=dbn)-2.2.1.0-timp.perc(2):I=tgl/glsp/susp.cym/cym; II=tam-t/BD(alone and with cym)/SD-harp-strings

Distributed worldwide by ZDF/Arte; rights with ZDF/arte and the Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung, Wiesbaden; only for performance with the film
 

Abbreviations (PDF)

Publisher

Non B&H

Territory
This work is available from Boosey & Hawkes in der ganzen Welt.
Erstaufführung der Fassung
17/10/2015
Komische Oper, Berlin
Orchester der Komischen Oper Berlin / Frank Strobel
Programme Note

Die historische Position von Becces Kompositionen für den Film ist im Jahr 1925 überaus interessant, wenn man Tartüff mit der anderen, von ihm für Murnau komponierten Musik betrachtet: Der letzte Mann (1924) besteht zu ca. zwei Dritteln aus einer Originalpartitur und zu einem Drittel aus Einlagen; in Tartüff liegt dann die von Anfang an angestrebte und als von ihm ideal betrachtete Durchkomposition vor, so wie sie ihm schon einmal 1913 im Film Richard Wagner als komplettes Stilimitat gelungen war – damals ein Einzelfall auf weiter Flur.

Becce hatte für die Komposition der Partitur ungewöhnlich lange Zeit, nämlich den ganzen Sommer 1925, sowie auch den darauffolgenden Herbst, da die Premiere des Films herausgeschoben wurde und tatsächlich auch die Uraufführung zunächst in Wien ohne die Originalmusik, dann aber im Januar 1926 unter Becces Leitung im Gloria-Palast stattfand.

Ihm war es wichtig, die Technik des Leitmotivs aus der Oper auf den Film zu übertragen, noch erweitert durch das Mittel des Leit-Zitats bekannter Melodien und Anspielungen auf andere Musiken; ganz eigen erscheint bei ihm als Drittes das Bedürfnis zu sein, äußere und innere Haltungen der einzelnen Charaktere durch eine stark gestische Musik auszudrücken und durch lange, rezitativisch zu nennende Passagen eine zusätzlich kommentierende Handlungsebene einzuziehen – schon nach der Berliner Uraufführungen wiesen viele Kritiken eigens darauf hin. Viele sahen darin etwas bahnbrechend Neues.

Die Rekonstruktion der überlieferten Musik hatte im Wesentlichen zwei ineinander verflochtene Probleme: einerseits ist die originale Partitur verschollen und lediglich ein spärlich bezeichneter Klavierauszug überliefert, andererseits ist die komplette deutsche Fassung des Films nicht mehr auffindbar, es existieren nur die sogenannte Export-Version, die amerikanische Fassung (zensiert) und einige Fragmente.

Es war ohne weitere Probleme möglich, die Musik der ersten drei Akte (von insgesamt fünf) dem Handlungsgeschehen zuzuordnen, ein großes Problem stellte dagegen der vierte und teilweise auch der fünfte Akt dar, da hier viel zu wenig Musik für die entsprechenden Laufzeiten komponiert zu sein schien, während vorher stellenweise sogar zuviel davon vorhanden war, was sich allerdings leichter einrichten ließ.

Es kann nicht mit Sicherheit geklärt werden, woran das gelegen hat, denn eine Fülle von Gründen ist hier vorstellbar, wie zum Beispiel ein nachträglicher Neuschnitt des Films (durchaus nicht ungewöhnlich). Da im fünften Akt die Zählung der Probeziffern neu beginnt, scheint es – nach der üblichen musikalischen Komponierpraxis – festzustehen, dass der vierte Akt als letztes komponiert wurde. Ein zusätzliches Problem bildet die hier etwas unsorgfältige Ausarbeitung des Klavierauszugs, der kaum Tempohinweise und teilweise sinnlose szenische Angaben enthält und übrigens auch mit viel weniger dynamischen und instrumentalen Angaben versehen ist als die Musik vorher und nachher; ebenfalls beobachtet man hier eine gewisse Kurzatmigkeit des musikalischen Geschehens.

Würde man die existenten musikalischen Hinweise des 4. Aktes wörtlich nehmen, ergäbe sich eine quälend langsame Viertelstunde Musik, die der Stilistik Becces und der restlichen musikalischen Struktur widerspräche.

Was war hier zu tun? Da grade hier die originale Filmvorlage schmerzlicherweise nicht wieder herstellbar ist, bot sich eine Lösung an, die bereits bei meiner Rekonstruktion der Musik zu Der letzte Mann angewandt wurde: das behutsame Nachkomponieren und Verlängern einzelner Perioden im Stil der vorhandenen Musik, ohne daß der Musik oder dem Film Gewalt angetan würde – eine Maßnahme, um diese interessante Partitur praktisch aufführbar und damit zugänglich zu machen.

Die Wahl der Orchestergröße ergab sich einerseits aus den wenigen instrumentalen Angaben Becces, andererseits aus dem von ihm in mehreren Briefen an seine Arbeitgeber immer wieder beantragten und zuletzt zugestandenen Orchesterbesetzung: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten, 2 Fagotte, 2 Hörner, 2 Trompeten, Posaune, Pauken, Schlagzeug, Harfe, Streicher. Dieses ist auch im Wesentlichen die Orchestergröße des Gloria-Palastes gewesen.

Der Komponist charakterisiert die agierenden Personen durch bestimmte Instrumente, Harmonien und Intervallfolgen, so zum Beispiel Madame Orgon durch eine Solo-Flöte und eine Solo-Violine mit schmelzender Italianità, ihre Zofe Dorine durch ein hüpfendes Quart-Sekund-Motiv, während ihre Parallelfigur, die Haushälterin des Großvaters in der Rahmenhandlung, durch Quintparallelen und Holzbläsermixturen charakterisiert wird, die kompositionstechnisch als „faul" gelten; der Neffe hat ein irrlichterndes, schnelles Thema bekommen, bei dem der Pate Rossini hätte sein können, durchsetzt mit vielen hohen Holzbläsern; Tartüff hat dagegen als Leitinstrument das Solo-Fagott in seiner tiefsten Lage sowie den Choral „Vom Himmel hoch, da komm ich her", der auf vielfältigste Weise variiert und auch karikiert wird. Die „gierigen Charaktere" werden durch den ausgiebigen Gebrauch übermäßiger Akkorde charakterisiert, ein von Becce sehr geliebtes Stilmittel, dessen Leitklang sich sogar noch in späteren Chaplin-Filmmusiken sowie der bekannten alten Tobis-Fanfare wiederfindet.
(Originalbeitrag von Detlev Glanert für das Programmheft der Erstaufführung am 17.10.2015)

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