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Publisher

Sikorski

Uraufführung
30/09/2021
München
Zentaur-Quartett
Composer's Notes

„Meine erste kompositorische Auseinandersetzung mit dem herausfordernden Genre Streichquartett fand 2008, noch zu Studienzeiten statt. Für ein Streichquartett um die Geigerin Julia Fischer entstand ein einsätziges Quartett, bei dem der Ton ‚a‘ Ausgangs-, Flucht- und Ruhepunkt ist und ritornellartig wiederkehrt, während zwischendrin scherzohafte Episoden erscheinen. Dieses Quartett erhielt nach der Uraufführung den Titel ‚alpha‘. Eine besondere Herausforderung an die Besetzung Streichquartett sind die zweifach vorkommenden Violinen: nach Überwindung der klassisch-romantischen Satztechnik haben sich diese Anziehungskräfte verloren, und die klangliche Individualität steht im Vordergrund – so waren nach meinem ersten Streichquartett die beiden danach entstandenen Streichtrios sehr lehrreich in diesem Entwicklungsprozess.
Ich wählte für mein zweites Streichquartett eine besondere Disposition: die zweite Violine ist durchgängig um einen Viertelton nach unten gestimmt, wodurch ihr eine Sonderrolle zugewiesen wird. Alle vier Sätze des ‚quasi-una-serenata‘-Quartetts beziehen sich auf eine Bewegungsform, die den Charakter des Satzes bestimmt. Dabei reicht das Ausdrucksspektrum von dem tänzelnden ersten Satz (‚schwebend‘) über den zupackenden zweiten Satz (‚starr‘) und dem – durch die Skordatur der zweiten Violine – fast morbiden Gesangssatz (‚zögernd‘) bis hin zum sphärischen letzten Satz (‚träumend‘), der scheinbar versöhnlich mit einer von den hohen Streichern begleiteten ‚Cello-Serenade‘ das Werk beschließt.
Unmittelbar im Anschluss entstand dann, versöhnt mit der Quartettbesetzung, ein drittes Streichquartett mit dem Titel ‚vor Anker‘, das eine große inhaltliche Nähe zum Hymnus für Klavier zu vier Händen ‚pacifico‘ hat. Liegt ein Schiff ‚vor Anker‘, so befindet sich das Schiff in einem Zustand zwischen der Freiheit auf See und der Sicherheit im Hafen. Man erlebt zwar die Kräfte des Wassers, ist ihnen aber nicht direkt ausgesetzt. Dieser Schwebezustand ist Ausgangspunkt meines Streichquartetts ‚vor Anker‘, in dem immer wieder die ‚Meeresstille‘ Franz Schuberts beschworen wird.

Mein 3. Streichquartett beginnt mit einer fertigen Gestalt: Tempo, Rhythmik und Melos sind von Anfang an etabliert, in einer Unisono-Textur beginnen die beiden ‚mittleren‘ Streicher sehr leise, nach und nach kommen Violine 1 und Cello dazu und spielen zu viert eine Unisono-Tonlinie, die sich scheinbar wiederholt, dabei aber immer ‚weiterrutscht‘: Die Tonabfolge bleibt weitestgehend gleich, verdichtet sich aber rhythmisch und füllt ihre Leerstellen zunehmend auf.

Die Linie wird lauter, exaltierter, spaltet sich im Tonraum auf, bleibt dabei aber stets innerhalb einer ‚selbstähnlichen‘ rhythmischen Kontur. Die meisten Konstellationen und Motive, die in diesem etwa einminütigen Ritornell durch ‚Abtasten‘ der melodischen Linie spielerisch gefunden werden, tauchen im weiteren Verlauf der Komposition mit motivischer Konsistenz wieder auf. Die Großform meines 3. Streichquartetts besteht aus vier Sätzen, die jeweils durch ein Ritornello eingeleitet werden. Ist dieses am Anfang des 1. Satzes noch besonders deutlich verfolgbar (Ritornello: Unisono), wird seine Struktur bei jedem Auftreten komplexer.

Als Einleitung zum zweiten Satz (Ritornello: A quattro voci) ist das Unisono aufgebrochen zu Vierstimmigkeit, weitgehend in einheitlicher Rhythmik. Der dritte Satz beginnt mit einem ‚Ritornello: Duett‘, in starker zeitlicher Dehnung ist die ursprüngliche Linie nun aufgeteilt auf sich verändernde PaarKonstellationen, die nach Art verzerrter Echos ineinander verzahnt sind. Im vierten Satz schließlich ist im ‚Ritornello: Canon‘ die melodische Linie in charakteristische, stark rhythmisch definierte Motive aufgelöst, die gestaffelt durch alle vier Instrumente mit sich selbst überlagert werden, sodass ein regelrechter Kanon entsteht.

Im Hauptteil des 2. Satzes zitiere ich den bizarren Beginn des 2. Satzes aus Beethovens Streichquartett op. 59/1: eine charakteristisch rhythmisierte Tonwiederholung im Cello, aus der sich alles Folgende in Art eines Perpetuum mobile ableitet, ohne dabei die durchlaufend gehetzte Motorik des 3/8-Taktes (mit zahlreichen Verschiebungen) jemals zu verlieren. Der Hauptteil des dritten Satzes trägt den Titel Arioso und verwendet als Matrix die Struktur des 2. Satzes aus Beethovens op. 18/1.

Der letzte Satz etabliert verschiedene Ostinati, die zu einer sehr lebendigen, motorischen Textur zusammengefügt werden. Nach einem Zwischenteil, der in Violinen und Bratsche mittels kontinuierlich steigender und fallender Glissando-Linien den Gesang einer singenden Säge nachahmt, tauchen zunehmend Relikte der bereits erklungenen Sätze auf, allerdings in unvorhersehbar vertauschter Reihenfolge: eine Art ‚verzerrte Reprise‘.“

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