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Sein 100-jähriges Bestehen im Jahr 2024 feiert der MDR-Rundfunkchor unter anderem mit einer eigens zu diesem Anlass bei James MacMillan in Auftrag gegebenen neuen Komposition. Ordo Virtutum rekurriert auf das gleichnamige Mysterienspiel Hildegard von Bingens und wird Ende Januar in der Leipziger Peterskirche aus der Taufe gehoben.

2024 feiert der MDR seinen 100. Geburtstag: Am 1. März 1924 ging die MIRAG (Mitteldeutsche Rundfunk AG) erstmals auf Sendung. Bereits im Gründungsjahr verfügte sie über eigene Musikensembles, und so begehen auch das MDR-Sinfonieorchester und der MDR-Rundfunkchor in den kommenden Monaten ihre runden Jubiläen mit allerlei Festkonzerten etwa im Gewandhaus zu Leipzig oder auf der Leipziger Buchmesse. Den Beginn des Konzertreigens macht der MDR-Rundfunkchor unter der Leitung seines Chefdirigenten Philipp Ahmann am 26. Januar in der Peterskirche in Leipzig mit der Uraufführung von James MacMillans Ordo Virtutum, einer Neuvertonung des Textes von Hildegard von Bingens gleichnamigem Singespiel. Der Ort der Uraufführung habe den Schotten bei der Wahl des Sujets beeinflusst, so der Veranstalter. Tatsächlich gemahnt die erst im 19. Jahrhundert im Stil der Neogotik erbaute Kirche insbesondere in ihrem Inneren an Sakralbauten des Mittelalters und schlägt somit ganz unmittelbar die Brücke in Hildegard von Bingens Zeiten.

1098 im Rheinhessischen geboren, betätigte sich die Nonne aus dem Benediktinerinnen-Orden nicht nur als Universalgelehrte und Predigerin sowie einflussreiche Heilerin und Visionärin, sondern auch als Autorin und Komponistin. Ihr als liturgisches Drama bezeichnetes Mysterienspiel Ordo Virtutum nimmt in der Gregorianik des frühen 12. Jahrhundert eine singuläre Stellung ein. Es gilt als das erste und einzige Musikdrama des Mittelalters und belegt eindrucksvoll den autodidaktisch erarbeiteten Personalstil Hildegard von Bingens. Inhaltlich repräsentiert Ordo Virtutum die Grundpfeiler ihrer moralisch-theologischen Lehre: Die menschliche Seele wird durch den Teufel in Versuchung geführt, kann letztlich aber mithilfe der göttlichen Tugenden vom Bösen zum Guten bekehrt werden und so zu Gott zurückfinden.

In seiner Adaption der Vorlage Hildegard von Bingens behält James MacMillan den mittelalterlichen Text in lateinischer Sprache bei, kleidet ihn aber in ein neues Klanggewand für Solo-Sopran, Doppelchor und Schlagwerk. Die Tugenden (vertreten durch Solo-Stimmen aus dem Chor) und den Teufel als ihren Antagonisten charakterisiert er dabei mit klar abgesetzter Diktion: Während die Tugenden stets singen, ist der Teufel nur sprechend zu hören.

„Meine Partitur setzt sich aus vier Teilen zusammen“, kommentiert MacMillan seine Komposition. „Im ersten Teil treffen die Tugenden (Chor 1) auf die Patriarchen und Propheten (dargestellt von Chor 2, der später auch die in Körpern gefangenen Seelen repräsentiert und durchgehend als ausschließlich abstrakte musikalische Präsenz fungiert). Hier wird auch die Hauptfigur vorgestellt, die Seele, gesungen von einem Solo-Sopran. Sie ist unglücklich und sehnt sich nach dem Himmel. Im zweiten Teil greift der Teufel ein und versucht, die Seele für sich zu gewinnen. Verschiedene Tugenden stellen sich ihm entgegen. In Teil 3 kämpfen sie um das ewige Leben der Seele, und in Teil 4 überwinden die Tugenden schließlich Satan und legen ihn in Ketten.“

26. Januar 2024, Peterskirche Leipzig
James MacMillan:
Ordo Virtutum für Chor und Percussion – Uraufführung
Yeree Suh, Sopran
Michael Weilacher, Percussion
MDR Rundfunkchor
Philipp Ahmann, Leitung
> Zum Konzert auf der Homepage des Mitteldeutschen Rundfunks

Anlässlich des runden Jubiläums hat der MDR eine 45-minütige Dokumentation produziert, die faszinierende Archivaufnahmen aus der 100-jährigen Historie des MDR-Sinfonieorchesters mit Einblicken in aktuelle Proben und Projekte unter anderem mit unserem Autor Kurt Schwertsik verknüpft.
> Zur Doku „Klassik on air: Die Geschichte des MDR-Sinfonieorchesters“
 

>  Further information on Performance: Ordo Virtutum

>  Further information on Work: Ordo Virtutum

Foto: James MacMillan in der Kapelle von Hatfield House, Mai 2023 (© James Bellorini)

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