Boosey & Hawkes
Pas de deux entstand im Auftrag von KölnMusik zum 50-jährigen Bühnenjubiläum des Cellisten Siegfried Palm und wurde am 19. Juni 1993 durch diesen und den Pianisten Bruno Canino in der Kölner Philharmonie uraufgeführt.
Der Titel des Stückes weist auf die Affinität zum Tanz hin. An keiner Stelle der Komposition findet sich indessen auch nur andeutungsweise ein Bezug zu den bekannten Tanzformen. Vielmehr wäre an ein abstraktes Ballettstück zu denken, in dem zwei Akteure in kürzester Zeit – knapp 5 Minuten – die unterschiedlichsten Bewegungen und Gesten ausführen: synchron, kontrapunktisch verschränkt oder unabhängig voneinander. Rhythmische Vertracktheiten und gesteigerte instrumentaltechnische Anforderungen evozieren absichtsvoll auch Momente der Exaltiertheit. All dies ist in einen strengen Formplan eingebettete, dessen 24 unterschiedlich lange Abschnitte netzartig miteinander verwoben und aufeinander bezogen sind, gemäß der von mir entwickelten Konzeption der "Gestaltkomposition".
Grußworte für Siegfried Palm
Während ich heute vor 50 Jahren vage mit dem Gedanken spielte, das Licht der Welt zu erblicken, strich Siegfried Palm bereits in aller Öffentlichkeit das Cello, gelegentlich zupfte er es wohl auch. Von den akrobatischen Spieltechniken und ausgepichten Klangfarben, die Bernd Alois Zimmermann sich in seiner Solo-Sonate 1960 einfallen lassen würde, ahnte er damals gewiss noch nichts. Gleichwohl stellte er sich, wie man weiß, als Erster dieser exorbitanten Herausforderung und leitete damit einen ungeahnten Konjunkturaufschwung des von den Klassikern der Moderne eher stiefmütterlich behandelten Instruments ein; einen Boom der Cello-Aktien, die er mehrheitlich selbst besaß. Das Einmann-Unternehmen Siegfried Palm wurde nach und nach von einer Vielzahl kleinerer und größerer "Produzenten" beliefert, und auch ich steuerte als "Lehrling" im Jahre 1968 ein Solowerk bei, dem aber leider nicht das Glück beschieden war, ins Repertoire des Meisters Eingang zu finden.
Jetzt, nach 25 Jahren, mähe ich die erstaunliche Feststellung, dass die Lust, für dieses an Möglichkeiten so reiche Instrument zu komponieren, keineswegs nachgelassen hat, wenngleich auch der Ehrgeiz, "neue" Klangfarben und Spieltechniken zu (er)finden, gegen Null tendiert: Zu weit ist ihre Inflation fortgeschritten. Die "Schuld" daran trägt nicht zuletzt derjenige, der stets auch die gewagtesten Intentionen der Komponisten in die klingende Tat umzusetzen und damit sein Publikum in Staunen zu versetzen wusste: der Celli Siegfried Palm. Möge er noch lange streichen, zupfen, tremolieren, flageolettieren, trillern, klopfen, hämmern, schnaufen… tönen!
Siegfried Palm, cello / Bruno Canino, piano
Deutscher Musikrat / RCA Red Seal 74321 73591 2