str(5.4.3.2.1)
Abbreviations (PDF)
Sikorski
„Mit Ehrfurcht und Respekt vor der großen geistig-kulturellen Tradition habe ich mich hier einem Thema zugewandt, das früher bereits Heinrich Schütz und Joseph Haydn angeregt hatten: Die sieben letzten Worte Jesu Christi am Kreuz, wie sie in den verschiedenen Evangelien zu finden sind.
Natürlich kann ein Werk, das rein instrumental erdacht ist, nicht die Aufgabe haben, den Evangelientext zu illustrieren. Hier geht es vielmehr um rein klangliche und instrumentale metaphorische Gesten. Und in dieser Hinsicht gaben mir die beiden Soloinstrumente Violoncello und Bajan, aber auch das Streichorchester reichhaltiges Material an die Hand. Ich denke zum Beispiel an den langgezogenen Ton im Violoncello, der durch den Glissandoklang der benachbarten Saite gekreuzt („gekreuzigt“) wird. Beim Bajan geschieht dieses Kreuzen mit Hilfe besonderen Drucks auf die benachbarte Taste. Im Streichorchester gibt es die Möglichkeit des Glissando-Übergangs vom Unisono zur Mehroktavigkeit und wieder zurück zum Unisono (= Kreuzfigur). Wenn der Cellobogen hinter den Steg wandert, ist dies wie der Eintritt in eine andere Sphäre.
Diese instrumentalen Metaphern bilden die thematische Grundlage des Werkes, die sich im Verlauf von sechs Sätzen bei unaufhörlicher Zunahme der Spannung entfaltet. Am Ende des 6. Satzes („Es ist vollbracht“) bricht die Spannung ab: Der Bogen spielt auf dem Steg. Und im 7. Satz überschreitet der Bogen den Steg – und damit gleichsam die Grenzen des Instruments.
Dieser Grundthematik, die den Soloinstrumenten zugeordnet ist, steht die Musik des Streichorchesters gegenüber, welche in ihrem Charakter an Chorgesang erinnert. Zu diesen beiden thematischen Linien gesellt sich die dreifache Wiederholung eines fünftaktigen Zitats aus dem Werk von Heinrich Schütz: die Melodie zum Ausruf „Mich dürstet“. Diese Figur hat eine wesentliche formbildende Funktion.
Das Werk ist den Uraufführungsinterpreten Wladimir Toncha und Friedrich Lips gewidmet, zwei bemerkenswerten Musikern aus Moskau, von denen es in höchstem Maße inspiriert wurde. Im Verlauf der Arbeit an diesem Werk entdeckten sie zahlreiche neue Spielmöglichkeiten auf ihren Instrumenten. Beispielsweise beim Bajan: das gleichzeitige Spiel eines lang ausgehaltenen und eines glissandierten Tones, die Kreuzung eines lang ausgehaltenen Tones mit zwei parallelen Glissandolinien; oder beim Violoncello: zauberhaft klingende, flirrende Akkorde, die durch vibrierende Doppelflageoletts entstehen, und vieles andere mehr. All dies verdankt seine Entstehung also der glücklichen Fantasie dieser genialen Musiker. Ich bezeuge Ihnen meine tiefe Dankbarkeit!“
(Sofia Gubaidulina)
Elsbeth Moser / Maria Kliegel /
Camerata Transsylvanica /
Gyorgy Selmeczi
Naxos 8553557