Spiral
(Spiral: Konzert für Hornquartett und Orchester) (2013)2.2.3(III=bcl).3(III=dbn)-0.3.3.1-6timp-perc(4):BD/glsp/marimba/susp.cym;SD/5tom-t/5bongos/2tam-t;SD/susp.cym/Javanese.gongs/t.bells/2congas;vib/5timp/ant.cym/lg.bell-pft-str(12.10.8.6.6)
Abbreviations (PDF)
Sikorski
„Meiner Komposition SPIRAL für Hornquartett und Orchester liegt die Vorstellung zugrunde, dass musikalische Gestalten durch Wiederholung und Differenz in einen Zustand des Kreisens geraten. Sie gelangen dabei spiralartig in eine jeweils höhere Ebene der Wahrnehmung. Der ‚hörende Blick‘ auf das bereits Verklungene wird zum ‚Subtext‘ des Stücks.
Das Werk ist dreiteilig angelegt. Zwischen zwei für das solistische Hornquartett und das Orchester sehr virtuose Außensätze fügt sich ein langsamer Teil, der in eine zunehmend ausbrechende Kadenz unter Einbeziehung von Pauken und Klavier mündet.
Der Untertitel ‚Konzert‘ verweist auf die durchweg dialogische Beziehung der vier Solisten mit der groß besetzten Orchesterformation.“
(Peter Ruzicka, Juni 2014)
„Im Jahr 2013 setzte sich Peter Ruzicka in zwei Werken mit einer seltenen Spielart des Instrumentalkonzerts auseinander: Nicht einem oder zwei Instrument(en) ist der Solopart zugeschrieben, sondern einer Quartettformation. Es handelt sich um die Werke SPIRAL und CLOUDS 2. SPIRAL für Hornquartett und Orchester ist gleichwohl ganz nah am Solokonzert, denn Ruzicka behandelt die vier Hörner wie ein einziges Instrument, ein hybrides ‚Mega-Horn‘, das sich nur in einer einzigen Passage in vier Stimmen individualisiert. Das Werk entstand im Auftrag des mdr und ist dem Leipziger Hornquartett auf den Leib geschrieben, das nicht nur Ideengeber, sondern auch am Kompositionsprozess beteiligt war.
Die kompositorische Idee des Werktextes ist die Figur einer Spirale, die durch ihre besondere Ineinssetzung von Zeit und Raum vielleicht „musikalischste“ geometrische Form. Die Begehung einer Wendeltreppe aus Lochplatten mag das optische und zugleich zeitpsychologische Äquivalent dieser Musik sein: Ob aufwärts oder abwärts – das Vorankommen ist immer auch ein Blick zurück, jede Drehung bedeutet die Begegnung mit etwas schon Gewesenem, eine Wiederholung im Wortsinn auf anderer Stufe, im Verlauf potenziell endlos. Jede Bewegung vollzieht sich gleich nah oder fern vom imaginären Zentrum. Anders als die meisten Werke Ruzickas beginnt SPIRAL nicht mit leisen, aus dem Nichts wachsenden Klängen, sondern mit einem erregten, dunklen Grollen in den tiefsten Registern von Bläsern, Schlagzeug und Streichern. Auf einen diffusen Klangschatten der Streicher folgt die zornige Antwort des Hornquartetts. Damit sind die Zeichen für den ersten Teil der Komposition gesetzt. In vielen ‚Drehungen‘ gibt die Musik Blicke auf immer neue Zustände dieser drei Texturen frei, sich verdichtend, zersetzend und festlaufend, in Generalpausen innehaltend – bis ein Trommelwirbel dem ziellosen Treiben Einhalt gebietet. Angesichts des Gewesenen gleicht der nun folgende langsame Teil einer Klage der Vergeblichkeit. Wo die Hörner vorher aufbegehrten, tun sie sich hier zu Beginn mit den tiefen Bläsern zu einem durchdringenden Unisono zusammen, an dessen Anfang und Ende der emblematische Tritonus steht, der ‚diabolus in musica‘. Aber am in sich kreisenden Verlauf des Stücks ändert dies nichts. Wieder muss ein radikaler Bruch her: In einer hochvirtuosen Kadenz dürfen die vier von Pauken und Klavier sekundierten Hörner sich zumindest vorübergehend individualisieren. Doch der Gang stockt zunehmend und verebbt. Im dritten und letzten Teil von SPIRAL verdichten sich richtungslos umherirrende Klangpartikel zu einer variierten und die Grenzen des physisch Machbaren streifenden Wiederkehr (oder ist es eine Wiederaufnahme?) des ersten Teils. Sie mündet in eine zarte Coda, in deren dunkler, trauernden Stille die Stürme nachklingen. Spätestens hier wird der persönliche Hintergrund von SPIRAL musikalisch evident: Ruzicka schrieb das Stück unmittelbar nach dem Tod Hans Werner Henzes, als „Memorial für meinen wunderbaren Lehrer und Mentor“. Und als Wegbegleiter, wäre zu ergänzen: Ob in ihren Kompositionen oder ihrem gestalterischen Wirken als Intendanten gingen Ruzicka und Henze geistig über Jahrzehnte Hand in Hand auf der Suche nach immer neuen Klängen.“
(Uwe Sommer-Sorgente)