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Boosey & Hawkes
Die fünfsätzige Hommage an die k.u.k.-Kulturblüte der letzten Jahrhundertwende versammelt traurig-schöne Nocturnes: mit wienerischen Abschiedswalzern, Mahler’schen Bruchstücken und einer Traumerscheinung Leos Janáceks. Zwischen Tradition und Aufbruch zeigt sich eine versunkene Welt, die auch Mahlers Schaffen prägte.
"Beim Mahler-Festival der BBC knüpfte Kurt Schwertsik eindrucksvoll an die Tradition an ... Wenn im Laufe des Festivals sämtliche Mahler-Symphonien zur Aufführung kommen, dann finden im Vorfeld jeweils auch Weltpremieren von eigens für diesen Anlass komponierten Stücken statt. Das Ius primae noctis gestand man Kurt Schwertsik zu, der mit artiger Verbeugung am Ende seiner Nachtmusiken op.104 die Schlusstakte des Stirnsatzes von Mahlers Erstling zitierte. Im Übrigen hält sich Schwertsik weniger an den Jahresregenten als an Vorbilder wie Dmitri Schostakowitsch oder Leos Janácek. Letzteren holt er sogar in die Satzbezeichnungen seiner Novität herein: ‘Janácek ist mir im Traum erschienen’, heißt es zu Beginn, und tatsächlich spuken die flammenden, zuckenden Bewegungen, die so charakteristisch für das aus Sprachfetzen und Rufen gebildete Motivvokabular des mährischen Meisters sind. Doch formen die Grüße aus vergangenen Zeiten bald einen harmonischen Klangstrom, aus dem sich weit gezogene melodische Linien herausheben, die wieder ganz Schwertsik sind. Kein Komponist seiner Generation hat sich so mutig den Ecken und Kanten des Zeitgeists widersetzt, um wieder geschmeidige Kantilenen in ungeschminkter Dur- und Moll-Kostümierung zuzulassen. So wirken denn die harschen Paukentöne, die schon wieder aus Jenufa stammen könnten, am Ende dieses Satzes wie ein Gruß Janáceks an den späteren Kollegen. Der schreibt in der Folge auch einen sanft wiegenden Walzer, in dem hinter sanft schimmernden Streicherakkorden lang Vergessenes im Dreivierteltakt zu ahnen ist: Als wolle einer persönliche Bilder aus der Erinnerung holen, um sie als Protokolle seiner Befindlichkeit vor uns auszubreiten – in diesem Sinne ist Schwertsik ganz nah bei Mahler und dessen Kunstverständnis; und es sind ein paar zackige Geschwindmarschschritte (in der vierten ‘Nachtmusik’), die uns zu Schostakowitsch führen, der Nämliches in russischer Verbrämung wagte. Bevor Mahler dann selbst zu Wort kommt, huldigt Meister Schwertsik noch dem gediegenen Musikhandwerk und beweist: Selbst im 21. Jahrhundert hat die Fugenform keineswegs ausgedient, wenn einer sich auf rechten Kontrapunkt versteht. Zwischendrin verbirgt sich in den Nachtstücken ein gefühlvoller Abgesang auf einen, der für die Verbreitung der ‘dritten Wiener Schule’ unendlich viel getan hat: David Drew, Verleger und Impresario, erhielt einen bewegenden tönenden Grabstein." (Wilhelm Sinkovic, Die Presse, 04.02.2010)
BBC Philharmonic/HK Gruber
Chandos CHAN 10687