2 trumpets, 2 trombones, perc, accordeon (ampl), chitarrone (ampl), e-guitar, glass harmonica (keyboard), sampler, live electronics; musicians play from different places in the room; needs special room acoustics
Abbreviations (PDF)
Bote & Bock
memoria ist geschrieben im Andenken an Carla Henius, eine mir teure Freundin und Förderin. Die Musik dieses Stückes ist daher zuerst ein persönlicher Reflex auf das Entschwinden eines Menschen aus dem Bereich seiner Gegenständlichkeit, vor allem auf die Ohnmacht angesichts seiner jähen Unerreichbarkeit. Andererseits ist sie ein Klangbild über das Wiedererfinden von vergangener Gestalt durch Erinnerung, die mit dem Fortschreiten der Zeit das Wesen und den Sinn des Erinnernden bestimmt, so wie es in dem Brief „Agesilaus Santander“ von Walter Benjamin so eindrucksvoll festgehalten ist:
„Er (der Engel), der Klauen hat und spitze, ja messerscharfe Schwingen, macht keine Miene, auf den, der gesichtet hat, zu stürzen. Er fasst ihn ins Auge lange Zeit, dann weicht er stoßweise, aber unerbittlich zurück. Worum? Um ihn sich nachzuziehen, auf jenem Wege in die Zukunft, auf dem er kam und den er so gut kennt, dass er ihn durchmisst ohne sich zu wenden und den, den er gewählt hat, aus dem Blick zu lassen. Er will das Glück: den Widerstreit, in dem die Verzückung des Einmaligen, Neuen, noch Ungelebten mit jener Seligkeit des Nocheinmal, des Wiederhabens, des Gelebten liegt. Darum hat er auf keinem Wege Neues zu hoffen als auf dem der Heimkehr, wenn er einen neuen Menschen mit sich nimmt. So wie ich, kaum dass ich zum ersten Male dich gesehen hatte, mit dir dahin zurückfuhr, woher ich kam.“
Als „Gegenstand“ konkreten Wiedererkennens erscheint stellvertretend in der Musik das Fragment eines Mariengesangs von Hildegard von Bingen, jedoch weit entfernt, und gesungen von der bereits verstorbenen Barbara Thornton, aufgeführt im Romanischen Sommer 1997.
© Johannes Kalitzke