4(III,IV=picc).4(IV=corA).4(IV=bcl).4(IV=dbn)-6.4.3.1-timp.perc(min.3):5susp.cym/glsp/tamb/2tgl/2maracas/SD/xyl/5tom-t/5tpl.bl/5gongs/BD/vib/2tam-t-harp-strings
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Bote & Bock
Yuns Symphonie I wurde durch die Friedensbewegung inspiriert, die sich gegen die Stationierung von Atomraketen (Cruise Missiles und Pershing II) in der Bundesrepublik Deutschland richtetete und gegen die westlich-kapitalistische / östlich-sozialistische Blockkonfrontation. Die größte Massenbewegung in der Geschichte der Bundesrepublik kulminierte im Herbst 1983, als – ausgelöst durch die Bundestagsdebatte zur Raketen-Stationierung – bei vier parallelen Großdemonstrationen nahezu eine Millionen Menschen gleichzeitig auf den Straßen war. Angesichts der Bedrohung des Friedens durch den unverantwortlichen Umgang mit der atomaren Energie verstand Yun seine Symphonie I als Mahnung und Appell. Das viersätzige Werk wurde 1982/83 in etwa achtmonatiger Arbeit zum hundertjährigen Jubiläum des Berliner Philharmonischen Orchesters komponiert.
Mit seiner Symphonie I eröffnete Yun eine neue Schaffensphase. Mit »Klangkompositionen« wie Bara (1960), Loyang (1962/64), Réak (1966) oder Dimensionen (1971) hatte er als koreanischer Komponist in Europa Anschluss an die westeuropäische Avantgarde gefunden. Im Bestreben um Verständlichkeit entstand sodann eine Reihe von Solokonzerten. Während er im Cellokonzert (1975/76) das Trauma seiner südkoreanischen Gefangenschaft verarbeitete, galt ihm das durch ein buddhistisches Märchen inspirierte Flötenkonzert (1977) als Parabel von der Vergänglichkeit allen Tuns. Mit der Symphoniekomposition schließt Yun in veränderter Gestalt und mit konkreteren, nämlich durch Prinzipien europäischen Bauens deutlicher noch vermittelten Gehalten an die Phase seiner Klangkompositionen an. Dabei bezieht er die bei den Solokonzerten gewonnen Erfahrungen ein. Ging es bei den Klangkompositionen um kontinuierlich fließende Flächen von ähnlicher und gegensätzlicher Gestalt, und bei den Solokonzerten eben um die Konfrontation von Soloinstrument und Orchester, gewinnt Yun nun die Gegensätze wieder den Orchestergruppen selber ab.
Yuns »Hauptklänge« werden nicht nur im horizontalen Prozess entfaltet, sondern erscheinen auch in vertikaler Textur: So wird der Ton b der Hornintroduktion des ersten Satzes zu dem Akkord es-ges(fis)-a-h (Takt 13) gleichsam auseinandergefaltet. Als Kehrseite der Veränderung der Harmonik – der Neigung zu terzgeschichteten Klängen, deren Eindeutigkeit durch dissonierende Zusatztöne verwischt ist – erscheint die Hervorkehrung einer Melodik, die zu sangbarer Fasslichkeit tendiert.
Apokalyptische Züge erhält der turbulent-kontrastreiche erste Satz schon durch den dominanten Blechbläserklang. Das zielgerichtete Vorwärts dieses Gebildes von elementarer Gewalt prägt zugleich auch die traditionelle Formung in exponierende, verarbeitende und reprisenartige Abschnitte aus. Dem entschiedenen Unisono der sechs Hörner stehen verstört-auffahrende Klanggesten der Streicher gegenüber. Als ein zweiter Gedanke erscheint ein Thema, das an die Gebrochenheit von Mahler oder Schostakowitsch gemahnt: Die tiefen Streicher bilden die Bewegung eines verwundeten Sich-Abwendens nach. Dazu kontrastierend deklamieren die hohen Streicher ein appellativ-affirmatives Thema aus Großterz- und Quintschritten. Ebenfalls aufhellend die Klangbrücken der Holzbläser zu Beginn des zweiten Abschnitts sowie – in der Reprise – ein irisierendes Gewebe glissandierender und trillernder Streicherbänder mit harfenbegleiteten Holzbläserfigurationen.
Aus atmender Stille entfaltet Yun den langsamen zweiten Satz. Beim Rückblick auf eine verbrannte Erde schlägt Trauer in Schönheit um. Charakteristisch ist das ausdruckssatt-gleitende Aufwärts der Violinen. Als dritter Satz erscheint ein groteskes Scherzo, als ruhender Pol im Blechbläserfanal das Trio mit Englischhhorn- und Violinsoli.
Im vierten Satz fasst Yun das zuvor Exponierte zusammen. Integrierend wirkt der zumal im ersten Satz erklungene – im Scherzo als Negation abwärts geführte – Aufwärtsgestus aus Quart-, Tritonus- und Quintintervallik. Yun knüpft zunächst an die Hornintroduktion des Beginns an. Die gegensätzlichen Pole hohe Streicher und Hörner werden zweimal je sukzessive nach oben getrieben und scheitern, weil sie allein die Balance nicht halten können. Nach einem nächtlichen Zwischenspiel – auskomponierter Stillstand – greifen die Holzbläser unterstützend ein. In Anlehnung an den zweiten Satz mobilisiert Yun alle Kräfte seiner instrumentatorischen Rhetorik, um das A des Absoluten zu erreichen; das Orchester gelangt aber nur bis zum Gis. Die vierte und letzte Phase ist durch den Gestus der aufwärts geführten Quint charakterisiert: Holzbläser und hohe Streicher intonieren, durch die Posaunen grimassierend kontrapunktiert, gemeinsam die reine Quint (e-h). Die Hörner schließen sodann mit der verminderten Quint (e-b) auf. Der Klangstrom wird von den Trompeten fortgesetzt, für den Komponisten die Stimme himmlischer Mahnung.
Walter-Wolfgang Sparrer (1986)
Filharmonia Pomorska Bydgoszcz / Takao Ukigaya
CPO 999 165-2