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Publisher

Bote & Bock

Territory
This work is available from Boosey & Hawkes in der ganzen Welt.

Availability

Uraufführung
28/07/1968
Markgrafentheater, Erlangen
Hans Deinzer, clarinet / Werner Heider, piano
Programme Note

"Das koreanische Wort Riul (auch Ryul) hat mehrere Bedeutungen: fließende melodische Linie, Rhythmus, Gesetz. Der Titel bezieht sich hier auf die großen melodischen Bögen der Klarinette, auf die ornamental reich verzierten Haupttöne, deren ,Riul' als besondere Spielweise koreanischer Holzblasinstrumente bezeichnet wird." Diese Erläuterung in Yuns Partitur verweist auf die Bedeutung von Riul für die Entwicklung seiner "Hauptklang-" oder "Haupttontechnik"; ein Ausdruck, der Bezug nimmt auf die linearen Verläufe der ostasiatischen Musik, besonders der chinesisch-koreanischen Hofmusik. Durch diese ließ sich Yun auch schon für seine frühen Kompositionen in Europa inspirieren; eine - schriftlich dokumentierte - Reflexion des Begriffs setzte ein in der Zeit der Komposition von Gasa für Violine und Klavier (1963) sowie Garak für Flöte und Klavier (1963). Die Bezeichnung "Hauptton" meint nichts anderes als ein lang ausgehaltenes Klangzentrum. Es wird zum Beispiel durch einen melismatischen Einschwingvorgang erreicht, durch eine sich verändernde Dynamik klangfarblich belebt und zielt meist auf einen pointierten Auslaut. Dabei ist die Anzahl der einzelnen Töne, die zur Artikulation dieses Tonzentrums beitragen, unwesentlich - es sind im Extremfall sogar zwölf Töne.

1968, nachdem Yun als Gefangener des südkoreanischen Regimes die Erlaubnis zum Komponieren erhalten hatte, vollendete er den Operneinakter Die Witwe des Schmetterlings, schrieb Images für Flöte, Oboe, Violine und Violoncello sowie Riul. Riul entstand für den Klarinettisten Hans Deinzer und den Komponisten und Pianisten Werner Heider, die es am 28. Juli 1968 in Erlangen erstmals aufführten. Es ist ein Auftragswerk der "Internationalen Theaterwoche der Studentenbühnen 1968", bei der neben Neuer Musik auch Jazz erklang. Diese Information inspirierte Yun, indem er tänzerische, "swingende" Elemente in die Komposition einbezog, sie zugleich aber durch die relative Statik seines damaligen Komponierens sowie die spezifisch Yunsche und auch koreanische Artikulation überformte.

Der Titel Riul steht für das "Gesetz" einer Kompositionstechnik, die im Teil schon das Ganze bereit hält und doch auf Veränderung und Fortschreiten aus ist. Er steht ein für die Art, in der der Ton A in immer neuen Wellenbewegungen eingekreist und zentriert wird. Darüber hinaus meint er das Symbolische eines Prozesses, bei dem sich A als eine Chiffre der Hoffnung behauptet und durchsetzt.

Im großen bringt die Komposition drei Teile, die in sich aus je zwei Abschnitten gefügt sind: 26+36; 17+46; 44+26 Takte. Der stete Wandel von sich gleich bleibenden Kategorien zeigt sich in einem fast bachisch-barocken "Einheitsablauf". Dabei ergänzen die beiden Instrumentalstimmen einander komplementär: Ist die Klarinettenstimme "bewegt", so bildet das Klavier im ruhigeren Duktus nur die Konturen nach und gibt harmonische Stützen; hat das Klavier bewegte Figurationen, so bringt die Klarinette die Ruhe der lang gezogenen Töne.

Die ersten 26 Takte haben exponierenden Charakter: Yun stellt zunächst die hohen Lagen und die Spezifik des fallenden Halbtons heraus, zieht sich sodann mit synkopierten Tonwiederholungen auf die Mittellage zurück und exponiert schließlich (mit dem Tritonus dis3) den Hauptton a2. In einer Passage mit abschließender Gestik geht er von der tiefen Lage aus und konfrontiert sie auf engem Raum mit dem "Oben" der hohen Lagen.

Immer wieder wandelt sich die Faktur vom Bewegten zum Unbewegten: sprunghafte Gesten der Klarinette, dann ruhigeres Fortschreiten, schließlich zu Rufen verdichtete Tonwiederholungen (T. 27-62).

Heftige Akkorde im Klavier, die Yun an den Ton von Trommeln erinnern, leiten einen zweiten Teil ein: Hier komponiert er - als Reflex der Gefängnissituation - zunächst die dunklen und tiefen Lagen aus. Im längeren zweiten Abschnitt dieses Teils intensiviert Yun das Idiom des fallenden Halbtons durch das Glissando; dem fallenden Halbtonglissando stellt er die Perspektive des aufwärts gewendeten Halbtonglissandos gegenüber.

Einen dritten Teil eröffnet Yun abermals in tiefen Lagen und leise mit der Spieltechnik der Flatterzunge. Weite Lagen umspannend, erscheint hier eine Zurücknahme zum Einfachen und zur meditativen Versenkung. Die Schlußphase beginnt mit dem - so die Partitur - "scharfen" Halbtonglissando b2-a2. Das symbolisch bedeutsame A wird in der Klarinette immer wieder selbstbewusst artikuliert. Es bleibt bis zum Schluss.
Walter-Wolfgang Sparrer (1992)

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