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Bote & Bock
Nach mehreren Instrumentalkonzerten (seit 1975/76) komponierte Isang Yun in den achtziger Jahren fünf kontrastierend aufeinander bezogene Symphonien (1982/83 bis 1987). Im Anschluß daran entstanden zwei Kammersinfonien (I: 1987, II "Den Opfern der Freiheit": 1989), und im Jahr 1990 folgten unmittelbar aufeinander zwei Kammerkonzerte. Das für das Schönberg-Ensemble Reinbert de Leeuws in Amsterdam komponierte Kammerkonzert I ist aufgrund seiner Besetzung (Holzbläserquartett, drei Blechbläser, Schlagwerk, Streicher) sowie seiner äußerlich einsätzigen Anlage (mit der Dramaturgie schnell-langsam-schnell) ein "Konzert für kleines Orchester", in dem konzertant-rivalisierende und symphonisch-integrative Prinzipien wirken.
Dazu gegensätzlich ist die Anlage und Dramaturgie des rund dreizehnminütigen Kammerkonzerts II, das Yun für die (von dem Oboisten Burkhard Glaetzner und dem Posaunisten und Komponisten Friedrich Schenker gegründete) Gruppe Neue Musik "Hanns Eisler" in Leipzig komponierte. Yun widmete die Partitur diesem Ensemble und Burkhard Glaetzner "in Freundschaft"; sie ist mit den exponierten Partien von Oboe (Englisch-Horn) und Posaune auf beide Solisten der Gruppe Neue Musik zugeschnitten. Auf die Beteiligung weiterer Bläser verzichtete Yun, kombinierte die Posaune in tiefer Lage mit dem Englisch-Horn und in höherer Lage mit der Oboe. Der physischen Kraft der Posaune entsprechend härtete er das Klangbild, indem er ein Klavier einbezog; aufhellend wirkt die Farbe des im Ensemble der "Schlaginstrumente" vertretenen Xylophons. Dem dunklen Timbre der Posaune korrespondiert es, daß Yun die Violine ausließ und die Streicher nur mit Viola, Violoncello und Kontrabaß besetzte.
Die Polarität von Licht und Schatten, Nähe und Ferne, Dunkel und Hell entfaltet Yun im Kammerkonzert II im mehrfachen Nacheinander von Bewegung oder äußerer Bedrängnis einerseits und innerer Ruhe andererseits. In der Tiefe einsetzend, ihren klagenden oder anklagenden Gestus allmählich spiralartig aufwärts führend, ist die Posaune zunächst das dominierende Instrument. Den Gesang der Oboe stellt Yun sodann in einer lichten, stillen und "reinen" Gegenwelt solistisch heraus.
Das Wechselspiel zwischen dem heftig bewegten Harten und dem kontemplativ entrückten Weichen bestimmt auch den weiteren Verlauf. Zunächst bringt Yun eine kürzere und verschärfte Variante dieser kontrastierenden Konstellation (mit dominierendem Violoncello im kantabel-"unbewegten" Teil). Sodann relativiert er die Gegensätze, indem er sie zunächst steigernd intensiviert: Er komponiert eine kraftvolle Überleitung (Oboe dominierend) hin zu einer mit dem Duett von Englisch-Horn und Posaune konzertant bewegten Klimax. Von hier aus erfolgt die organische Rückführung zum Ausdruck des Zarten und Stillen (Streicher, Klavier). Am Wendepunkt erklingt ein Solo des Kontrabasses. Einem letzten kraftintensiven Tutti antwortet allein die Viola kurz vor einem lakonischen Schluß.
Walter-Wolfgang Sparrer (1996)