2ob.2cl.2bn-2hn-db(ad lib)
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Bote & Bock
Isang Yun schreibt einerseits melodische Prozesse, die er andererseits zu in sich bewegten Klangflächen auffüllt. Gleichzeitig ist der Klang geschichtet, paarweise aufeinander bezogen, gewichtet in tiefe und hohe Bläser; der Kontrabass stützt die Fagotte. Die Teppich-Metapher, wohl von Luise Rinser in die Yun-Literatur eingeführt, ist nicht ganz unzutreffend, aber auch der Gedanke an einen wellenartigen Verlauf in zunächst ruhigem Puls, spiralartig aufwärts gerichtet. Isang Yun sprach von den sich verzweigenden Energien Yin und Yang des Tao.
Zu Beginn des Bläseroktetts führt Yun die Oboen in Terzen; sie schwingen leicht ein, in Korrespondenzmelodik, d. h. die Motive entsprechen und antworten einander. Sie bilden dann auch kleine Motivketten. Wichtig die etwas harten Akzente im piano-Umfeld. Die Oboen, unterstützt von den Klarinetten, treiben den melodischen Prozess zu einem Höhepunkt auf es3. Eine Weiterführung, vogelstimmenartig von Oboe und Klarinette initiiert, stabilisiert zunächst den Tonsatz und mündet in einen fast signalartig ausformulierten Absturz mit langen Tönen in der zweigestrichenen, dann eingestrichenen Oktav.
Quarten werden nun prominent eingeführt. Ein solo cantabile des Horns tritt heraus, von kleinintervalligen Umspielungen der Klarinetten begleitet. Ein Neubeginn in und aus der Tiefe (Fagotte, Hörner, Kontrabass) führt zu auffliegenden Klanggesten der Klarinetten, grundiert durch ein ruhiges Fagott-Solo.
Fast reprisenartig kehrt die Terzintervallik der Oboen wieder, zunächst ohne zurück zu pendeln. Stabilisierung des Tonsatzes durch Tonwiederholungen und komplementärrhythmische Schichtung im blockhaften Satz (Terz-, Quart-, dann Quint-, schließlich Oktavschichtungen), darin ein zweites Hornsolo.
Signalartige Klanggesten in den Oboen, Auffächerung des Tonsatzes, Ausweitung im Raum, die abflaut; eine zweite Klangwelle mit kleineren Intervallen und repetitiver Gestik folgt.
Auch im langsamen Mittelsatz (Takt 109-152) führt die Oboe (zunächst mit melancholischen Gesten aus einem, dann zwei langen Tönen). Auch hier Belebung und Aufspreizung des musikalischen Raums, sodann eine Rückführung, die in sich Material aufnimmt aus dem Satz »Harmonie« der Inventionen für zwei Oboen (1983).
Auch der Schlussteil (bis Takt 205) bildet keinen formal homogenen oder in sich geschlossenen Satz aus, sondern besteht aus verschiedenen, heterogenen Fakturen und Gangarten.
Das Bläseroktett mit Kontrabaß ad libitum wurde auf Teneriffa komponiert vom 22. Januar bis zum 4. Februar 1994. Isang Yun widmete es dem Oboisten Ingo Goritzki, dem Klarinettisten Ulf Rodenhäuser und ihrer Stuttgarter Bläserakademie, die das im Auftrag des Landes Baden-Württemberg entstandene Werk am 19. Februar 1995 in Stuttgart zur Uraufführung brachte und wiederholt spielte.
Walter-Wolfgang Sparrer, 2024
Yuns Bläseroktett entfaltet im Spiel rivalisierender Terzen und Terzgruppen eine Art unendliche Melodie, zugleich ein vielfach gebrochenes Wellenspiel.
“Das einsätzige Werk, in dem eine gefaßtere Haltung vorherrscht, bewahrt trotz Abschnitten variierter Lautstärke und Klangdichte den Charakter durchgängigen musikalischen Strömens. Gleichwohl stehen neben kompakten Klangfeldern virtuose Spielfiguren der hohen Bläser, energische Hornrufe und blockhafte Fagotteinwürfe. Naturlautpassagen, von Oboen und Klarinetten in zartem Satz vorgetragen, schaffen ein durchsichtiges Stimmgefüge.” (Stuttgarter Zeitung, Feb. 1995)
Oslo Kammerakademi ("the first beauty", 2015)
Lawo Classics LWC1093 (SACD)