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Scoring

4(I=picc).4.3.bcl.0.dbn-4.4(I=picctpt).4(IV=btrbn).1-perc(2,I=solo):I=BD(muted)/SD/2tom-t(lo,med)/3cym/Crash cym/4timp/vib; II=3cym(lo,med,hi)/tam-t(med)/Crash cym/metal plate/glsp-pft(=kbd)

Abbreviations (PDF)

Publisher

Bote & Bock

Territory
This work is available from Boosey & Hawkes in der ganzen Welt.

Availability

Uraufführung
02/11/2007
Funkhaus Wallrafplatz, Klaus-von-Bismarck-Saal, Köln
Dirk Rothbrust, percussion/ Udo Falkner, piano / WDR Sinfonieorchester Köln / Peter Rundel
Composer's Notes

Das Rahmenthema ‘Double’ und damit die Vorgabe, mich auf eine bereits existierende Komposition zu beziehen hat mich sofort gereizt. Eröffnete es doch die Möglichkeit, mich einmal auf andere Weise dem Kompositionsprozess zu nähern.
Besonders spannend fand ich, dass dabei ‘ganz nebenbei’ Fragen berührt wurden, mit denen ich mich vor vielen Jahren beschäftigt hatte, z. B. die nach der Beziehung zwischen Rezipient bzw. Hörer und Musikwerk im ‘Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit’.
Damals hatte ich mit großer Leidenschaft Roland Barthes gelesen, bei dem es an einer Stelle heißt:
„Die traditionellen Gesellschaften kannten zwei Orte des Zuhörens, und zwar zwei entfremdete: das arrogante Zuhören des Ranghöheren und das servile Zuhören des Untergebenen. Eine freie Gesellschaft ist unvorstellbar, wenn man im vornhinein akzeptiert, in ihr die alten Orte (und Schemen) des Zuhörens zu erhalten: die des Gläubigen, des Schülers und des Patienten.“
Es war die Zeit, in der ich die ‘Neue Musik’ für mich entdeckte – und ich erinnere mich, wie groß meine Enttäuschung war, wenn ich meinte, bestimmte Barthe’sche Zuschreibungen (‚arrogantes’ oder ‘serviles’ Zuhören’) auch in diesem Kreis wahr zu nehmen.
Dabei war ich eigentlich schon immer der Ansicht gewesen, dass es weniger darum gehen könne, einem dem Werk von irgendeiner Autorität zugeschriebenen Sinn ‘hinterher’ zu hören, als vielmehr darum, den eigenen Sinnen zu trauen und dem eigenen Hören Raum zugeben.
Ich hatte schon immer von einem ‘dialogischen Hören’ geträumt, einem ‘aktiven’ prozesshaften Hören, das nicht im Verstehen ‘zum Stillstand’ kommt, bzw. ehrfurchtsvoll vor der Größe der Kunstwerke im Verstummen endet, sondern ‘weiter hört’, den Spuren nachgeht, die sie im Körper hinterlassen. Von einem Hören, das Schreiben macht (wobei ich durchaus die neuen audio-visuellen Aufzeichnungsmedien in meinen Begriff von Schreiben mit einschloss).

Für Vergeben... griff ich diese Gedanken wieder auf und versuchte, sie in meinen Kompositionsprozess einfließen zu lassen.

Da die Besetzung mehr oder weniger vorgegeben war (Bläser, Schlagzeug und Klavier) kam mir sehr schnell die Idee, mich auf Varèse zu beziehen, dessen zwei Stücke Équatorial und Désert für mich vor vielen Jahren so etwas waren wie die ‘Initiation’ in ‘Neue Musik’. Ich hatte sie damals als ‘wild’ und ‘roh’ empfunden und konnte mich erinnern, dass sie stellenweise eine starke physische Reaktion in mir hervorgerufen hatten. Genau dieser wollte ich nachgehen, das heißt ich wollte in einen – bei aller Vorsicht der Begrifflichkeit – ‘sinnlichen’ und nicht ‘inhaltlichen' Dialog (semantischen, strukturellen, dramaturgischen etc.) treten.

Dazu habe ich mir Aufnahmen der Stücke besorgt und wieder und wieder angehört. Dann habe alles, was qua Besetzung nicht passte oder mir nichts ‘sagte’, einfach weg geschnitten. Aus dem übrig gebliebenen Gebilde habe ich wiederum jene Teile ausgewählt, die den stärksten Eindruck auf mich gemacht, die mich am meisten berührt haben.
Diese übrig gebliebenen Bruchstücke bildeten das Ausgangsmaterial für Vergeben.
Mit diesen kleinen Teilen fing ich an ‘zu spielen’; verschränkte sie miteinander, schichte sie über- und unter einander, verlangsamte oder beschleunigte sie, montierte sie falsch herum etc., mit anderen Worten: setzte sie ungeachtet inhaltlicher oder semantischer Bezüge entsprechend meines ‘Ohr-Sinns’, meiner ‘Hör-Lust’ neu zusammen, frei nach Roland Barthes: „Die Lust am Text, das ist jener Moment, wo mein Körper seinen eigenen Ideen folgt – denn mein Körper hat nicht dieselben Ideen wie ich...“ (1973)
Einige dieser Bruchstücke mutierten während dieses Prozesses allmählich zu refrainartigen Gebilden, andere verlangten nach zusätzlichem Material (erst später habe ich bei Riemann gelesen, dass der Begriff Refrain übersetzt ‘Bruchstück’ heißt...), bis sich nach und nach eine Art Strophenform ergab. Allerdings war die Fülle des Materials ‘überbordend’. Es summierte sich – ohne dass ich es gewollte hätte – sehr schnell zu mehr als 40 Minuten; und am Ende sollte sich zeigen, dass das Mühsamste dieser Arbeit war, es auf das für diesen Anlass vereinbarte Maß von 10–15 Min. zurecht zu stutzen.

Auf diese Weise entstand nach und nach mein Stück, für das die zwei Stücke von Varèse zwar ‘Ausgangsimpuls’ waren (also Material, das längst ‘vergeben’ war, urheberrechtlich jemand anderem gehört), mit denen es im Resultat jedoch nicht mehr so besonders viel gemeinsam hat. Auch wenn dieser Andere sehr wohl an einigen Stellen ‘anklingt’.
Insofern ist mein Stück kein wirkliches ‘Double’, auch kein ‘Schatten’, sondern Ergebnis eines Prozesses, der davon bestimmt war, die Spuren, die bestimmte Stellen aus Stücken Varèses in mir gelegt haben weiter zu verfolgen und ihnen ein Eigenleben zu gestatten. Das Ergebnis eines ‘eigen-sinnigen’ Umgangs mit diesem Material, einem ‘eigen-sinnigen’ Hören, wenn man so will.

Press Quotes

„Das ‘Double’-Thema wurde in vielfältigen Variationen und ästhetischen Ansätzen in Iris ter Schiphorsts Vergeben/Bruchstücke zu Edgar Varèse mit prozesshafter Stringenz abgehandelt.“ (Gerhard Rohde, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 05.11.2007)

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