Drei Stücke für Klarinette und Klavier
(Three Pieces for Clarinet and Piano) (2003)Bote & Bock
Auftragskomposition der Royal Philharmonic Society für das City of London Festival –
Die Stücke sind weniger eine traditionelle "Sonate", als eher drei Doppelmonologe, da in ihnen die Klarinette keineswegs nur dialogisierend mit dem Klavier auftritt - vielmehr sind sie als konzentrierte Psychogramme zu hören, in denen eine Stimme mit zwei Zungen von drei Situationen berichtet.
Diese Zustandsformen sind als "fliegend", "schwebend" und "kreiselnd" in die Satzbezeichnungen eingegangen. Es sind rein abstrakte Titel, die aber der Auslöser für die musikalischen Essays waren.
Die Musik entwickelt sich frei und rhapsodisch aus kurzen Gesten und Motiven, die weniger im Sinne der alten Materialtechnik, sondern mehr als organische und wuchernde Form behandelt werden: fantastische "Luftgewächse" des Klangs.
© Thomas Tangler, 2003
Ich finde, dass Musik per se sinnenfroh sein sollte. Sie muss aber deshalb nicht dumm sein. Im Gegenteil. Es gilt, den höchsten Grad an seriöser Heiterkeit und wacher Intelligenz anzustreben. Was Detlev Glanert in Bezug auf seine Kinderoper Die drei Rätsel aussprach, lässt sich auch auf seine grundsätzliche Haltung zum Komponieren übertragen. Leichtigkeit und unmittelbare emotionale Fasslichkeit sind für ihn keineswegs mit einem Mangel an Ernst und intellektueller Tiefe gleichzusetzen. Und so ist den Werken Glanerts nicht nur eine faszinierende strukturelle Klarheit, sondern bisweilen auch eine geradezu luftige Durchsichtigkeit eigen.
In den Drei Stücken für Klarinette und Klavier ging die Phantasie des Komponisten tatsächlich „vom Luftstrom“ aus, und die Satzbezeichnungen „fliegend“, „schwebend“ und „wirbelnd“ geben den Charakter des Werkes anschaulich vor. Die Drei Stücke waren ein Auftragswerk der Royal Philharmonic Society und wurden 2003 im Rahmen des City of London Festival uraufgeführt.
Klarinette und Klavier stehen hier als gleichberechtigte Individuen nebeneinander und sind immer wieder sehr stark aufeinander bezogen. Gleich zu Beginn treten sie in einen Dialog, das Klavier übernimmt die Linie der Klarinette und führt sie dynamisch und tonal zum Ausgangspunkt zurück. Doch entwickeln die Stimmen im Laufe des Werkes zunehmend ein deutliches Eigenleben, jedes Instrument trifft seine eigenen Aussagen.
Im Zentrum des Werkes steht der zweite Satz, der mit einem meditativen, in sich versunkenen Gesang der Klarinette beginnt. Das Klavier schweigt erst ganz und setzt dann nur charakteristische Farbtupfer. Auch nach plötzlichen expressiven Ausbrüchen kehrt immer die Stimmung des Anfangs wieder. Am Schluss bleibt die Klarinette mit einsamen, melodischen Phrasen zurück, das Klavier ist nur noch mit leisen Klangwolken zu vernehmen.
Den pochend-rhythmischen dritten Satz bestimmt ein rumorendes Triolenostinato im Klavier, über dem sich die Klarinette mit einem markanten Motiv erhebt. Immer wieder unterbrechen heftige Akzente und scharf abgerissene Phrasen den Fluss. Der technische Anspruch des Instrumentalparts wird am Schluss bis ins Extrem gesteigert: Das Stück endet mit dem höchstmöglichen Ton der Klarinette, den sie ganz solistisch im Nichts verklingen lässt.
© Verena Scharstein, 2008
Gerald Hacke, clarinet / Florence Millet, piano
Cragg Foundation CF 002