Bote & Bock
I Langsame Prozession – II Unruhig und zerklüftet – III Weiträumig
Diese drei Stücke wurden von den „Acht Hornisten der Berliner Philharmoniker“ für ihr Berliner Konzert im Oktober 1998 in Auftrag gegeben. Die erste Inspiration für das Stück bot tatsächlich das Ensemble selbst: eine Gruppe von Hornisten, die sich durch außerordentliche Virtuosität, Klangschönheit und schiere Kraft auszeichnet. Die Hörnerabteilung war ohnehin für mich während meiner Zeit in diesem Orchester eines der Elemente, die mich immer wieder fasziniert haben. Im Allgemeinen stellte das Repertoire des Orchesters oft eine fruchtbare Quelle der Inspiration für meine kompositorische Arbeit dar. Wir waren gerade auf Tournee in Italien, als mich Fergus McWilliam bat, etwas für acht Hörner zu schreiben. Das Hauptwerk auf dieser Tournee war Mahlers 3. Symphonie, und so wurde die Atmosphäre der ruhigen, in sich versunkenen Hörnerchoräle im 1. und 4. Satz auf ganz natürliche Weise zu einem interessanten und charakteristischen Ausgangspunkt für mich, als ich Ideen zu sammeln begann.
In der Tat schien sich das erste meiner drei Stücke aus genau diesem Moment in Mahlers Symphonie zu entwickeln: ein Trauerzug, der langsam und unerbittlich zum Mittelteil hin ansteigt; die darauf erklingenden Triumph-Fanfaren erweisen sich bald als Trug, als Kunstgebilde, hinter dem die Dunkelheit der vibrierenden Akkorde, zu der die Musik anschließend zurückkehrt, umso deutlicher hervortritt. Der zweite Satz ist ein kantiges Scherzo, in der die Musik durch die entschlossenen Unisonoklänge, die unregelmäßigen Taktlängen und Passagen mit schnellen Tonwiederholungen aggressive, verstörte und ungestüme Züge erhält. Der Kontrast von Clustern aus kleinen und großen Sekunden führt dazu, dass die Spannung weiter an- und abschwillt. Der ruhige Dialog dreier gedämpfter Hörner im Zentrum des Stückes bietet nur eine vorübergehende Ruhepause. Der abschließende Satz besitzt einen kargen Charakter; der Titel bezieht sich nicht nur auf das langsame Tempo, sondern auch auf die weite Spanne an Akkordklängen, die ein solches Hörnerensemble erreichen kann. Der Satz ist in sich gekehrt, wie ein schwebender, ruhiger Choral, in dem die Stimmungen der vorangegangenen Sätze nur als flüchtiges Echo aufklingen.
© Brett Dean (Übers.: Andreas Goebel)
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