String Quartet No.2 ("And once I played Ophelia")
(2013)Abbreviations (PDF)
Bote & Bock
Ein Sopran und vier Streicher: Seit Schönbergs zweitem Streichquartett ist diese Besetzung zuständig für die "luft vom anderen planeten". Auch Brett Dean verwendet die Kombination für eine besonders entrückte Stimmung. Als Vorstudie zu einer "Hamlet"-Oper, an der er mit seinem Librettisten Matthew Jocelyn seit einigen Jahren arbeitet, entstand das Streichquartett Nr. 2 ("And once I played Ophelia"). Der Titel – kein direktes Zitat aus Shakespeares Stück – ist doppeldeutig: Ophelia spielt sich selbst, sucht ihre Rolle. Aber die Interpreten "spielen" – also musizieren – ebenfalls "Ophelia", diese durch und durch musikalisierte Shakespeare-Figur. Zahlreiche Komponisten hat die sich singend ertränkende Braut Hamlets inspiriert: als dekadente Hysterikern, als Sirene mit Koloraturhöhen oder als melancholisch verwirrte femme fragile. Dean interessiert sich für die Bilder, die andere Figuren des Shakespeare-Stücks von Ophelia entwerfen und die das junge Mädchen sich zu eigen macht. An diesen Projektionen und Beleidigungen geht sie schließlich zugrunde:
Und vielleicht ertrinkt Ophelia nicht an einer romantisch genährten Marotte oder Verrücktheit, sondern ganz einfach nur an dem reinen Gewicht der Worte, die andere über sie sagen und die sie unwiderruflich mit sich führt,
so der Librettist Matthew Jocelyn. Der Text der Sopranistin zitiert nicht nur Verse Ophelias, sondern auch Zeilen von Hamlet, Polonius oder Gertrude, die sich auf sie beziehen. Etwa Hamlets Invektive "Get thee to a nunnery", die sie atemlos stammelnd für sich zusammensetzt, oder seine überspannte Liebeserklärung "Doubt thou the stars are fire", die sie als bloßes Echo einer bereits verloren geglaubten Liebe erreicht. In Erinnerungen und Spiegelungen horcht Ophelia diesen an sie gerichteten Worten nach, wieder und wieder vollzieht sie deren Verletzungen mit. Dean stellt Ophelia in den fünf Sätzen nicht als passiv leidendes Opfer dar, sondern als eine "resolutere Persönlichkeit" voller Leidenschaft und Agilität. So zeigt Ophelia hier auch stimmlich viele Facetten: Vom guturralen Ächzen und heiseren Flüstern über vierteltönige Klagerufe bis zum lyrischen großen Bogen inklusive dreigestrichenem f reicht die virtuose Herausforderung für die Solistin. Die Streicher reagieren mit feinsten Nuancen: Geräuschhafte Bogentechniken begleiten ihre Suche nach Identität im ersten Stück, wiegenliedartige Tröstungen tragen sie zu Grabe.
(Dr. Kerstin Schüssler-Bach, 2015)
Allison Bell / Doric String Quartet
Chandos CHAN 10873